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US-Außenminister Colin Powell muss sich harte Kritik vom Haudegen der Republikaner Newt Gingrich gefallen lassen.

Foto: EPA/BELGA/Benoit Doppagne

Washington/Wien - Ring frei für die nächste Runde im Dauerkonflikt zwischen State Department und Pentagon: Newt Gingrich, einstiger republikanischer Vordenker und immer noch einflussreiches Parteiurgestein, hat am Dienstag in einem Vortrag für das "American Enterprise Institute" (AEI) das Außenministerium scharf angegriffen und es als "kaputte Organisation" bezeichnet, die gut daran täte, sich von Donald Rumsfelds Verteidigungsministerium eine Scheibe abzuschneiden.

Die USA hätten "sechs Monate diplomatischer Fehlschläge und einen Monat militärischer Erfolge" hinter sich, ergriff Gingrich massiv für das Pentagon Partei. Das Außenministerium habe sich dagegen in ein "trübes Spiel" eingelassen, indem es Hans Blix als UN-Chefinspektor akzeptierte, einen Mann, der als Kriegsgegner lediglich darauf erpicht gewesen sei, "Ausreden für Saddam" zu erfinden.

Den Außenminister, Colin Powell, kritisierte Gingrich für dessen geplante Reise in die syrische Hauptstadt Damaskus, aber auch für seine angebliche Unfähigkeit, die Türken in die Irakkriegskoalition zu integrieren - ein nicht eben fairer Vorwurf, wenn man bedenkt, dass vor allem Vizeverteidigungsminister Paul Wolfowitz mit den Schmiedearbeiten zu dieser Koalition beauftragt war.

Großes Missfallen

Auf Gingrichs großes Missfallen stößt zudem das so genannte "Nahostquartett", das sich aus Frankreich, Russland, der UNO und den USA zusammensetzt, und das einen "Fahrplan" zu einem Nahostfrieden ausarbeiten soll. Es sei unmöglich, wettert Gingrich, dass sich die Vereinigten Staaten, vor allem nach den Erfahrungen der letzten Monate, in eine Gesellschaft begäben, wo sie ständig von den anderen drei Mitgliedern majorisiert werden könnten.

Obwohl im quasi "privaten" Rahmen geäußert, haben Gingrichs Erörterungen sofort öffentliche Reaktionen provoziert. Sowohl New York Times als auch Washington Post berichteten ausführlich vom neuen konservativen Bruderzwist. State-Department-Sprecher Richard Boucher rechtfertigte Powell damit, dass das State Department nur als ausführendes Organ von politischen Richtlinien agiere, die von Präsident George W. Bush selbst ausgegeben würden.

Das AEI ist ein konservativer Thinktank von beträchtlichem Einfluss, der, wie in Washington üblich, potenziellen Regierungsmitarbeit in Zeiten, da die andere Partei am Ruder ist, Unterschlupf bietet und ein stilles Rekrutierungsreservoir für die nächste Regierungszeit bildet. Ungefähr zwanzig ehemalige AEI-Mitarbeiter sind für die Bush-Regierung tätig, Bush selbst trat im Februar als Festredner für das jährliche Galadiner des AEI in Erscheinung.

Gingrich, der seine große Zeit als republikanischer Anführer in der ersten Hälfte der 90er-Jahre hatte und damals einer der führenden Protagonisten der so genannten "konservativen Revolution" war, trat 1998 als Fraktionsvorsitzender der Republikaner zurück, nachdem er steuerbegünstigte Mittel für eine Vorlesungsreihe benutzt und dem Ethikausschuss des Kongresses darüber nicht die Wahrheit gesagt hatte. Als konservativer Ideologe und "Chefdenker" genießt er aber immer noch hohes Ansehen und Einfluss in der Partei.(Christoph Winder/DER STANDARD, Printausgabe, 24.4.2003)