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Zehn bis 15 Prozent der Muslime weltweit sind Schiiten, die meisten davon gehören der "Zwölferschia" an. Der Bruch mit den Sunniten geht auf die Frage zurück, wer der rechtmäßige Führer der Muslime nach dem Tod des Propheten Muhammad war: für die Schiiten Ali ibn Abi Talib, Cousin und Schwiegersohn Muhammads (anstelle des ersten Kalifen Abu Bakr). Die Zwölferschiiten orientieren sich an den zwölf Imamen aus der Prophetenfamilie, die Reihe beginnt mit Ali (gest. 661) und endet mit Muhammad "al-Mahdi al-Muntazar" (der erwartete Mahdi), geboren 869, der nach schiitischer Lehre nicht gestorben, sondern im Kindesalter entrückt wurde und im Verborgenen weiterlebt. Wer die Gemeinde - oder, modern gesprochen, den Staat - lenken soll, bis er zurückkehrt, ist zentrales Thema der schiitischen Lehre, wobei das für die Islamische Republik Iran von Khomeini erstellte Konzept des "velayat-e faqih" (Herrschaft des Rechtsgelehrten) keineswegs Allgemeingültigkeit hat.

Sehr vereinfacht erklärt: Anders als bei den Sunniten spielt die aktive Rechtsauslegung (Ijtihad) in der Schia eine große Rolle, was die Herausbildung eines klerikalen Standes gefördert hat, den es in der Sunna so nicht gibt. Ein populärer, berühmter Mujtahid (Rechtsausleger) wird mit Ehrentitel wie Hujjatulislam oder Ayatollah bedacht, und der oberste Mujtahid, damit die letzte theologische Instanz, ist der Marja' at-Taqlid. Diese Titel werden aber nicht formal verliehen, es ist die Masse der Anhängerschaft, die entscheidet, und auch oft das Alter des Mujtahid. Auf die Frage, wer der Marja' ist, kann man durchaus unterschiedliche Antworten bekommen. Khomeini etwa war als Marja' im Iran anerkannt, gleichzeitig jedoch war es im Irak Großayatollah Khoei, dessen Sohn vor ein paar Tagen in Nadjaf ermordet wurde. Der jetzige Großayatollah Sistani in Nadjaf wird nicht einmal von allen irakischen Schiiten als Marja' anerkannt.

In Kerbala begehen die Schiiten momentan den 40. Tag (Arba'in) nach dem Todestag des (angeblich) dort begrabenen Hussein, zweiter Sohn des Ali und 3. Imam, der 680 in einer Schlacht gegen den sunnitischen Kalifen fiel. Der größere Feiertag für den "Fürst der Märtyrer" ist jedoch Ashura, sein Todestag. Ali ist in Nadjaf begraben. (guha/DER STANDARD, Printausgabe, 23.4.2003)