Wien - Österreichs Gemeinden machen sich auf harte Zeiten gefasst - und zeigen Bereitschaft für Entbehrungen: 83 Prozent der Bürgermeister und 52 Prozent der Bevölkerung glauben nicht, dass kommunale Leistungen künftig im gleichen Ausmaß wie bisher finanzierbar sein werden.Dennoch sind jeweils zwei Drittel dagegen, fehlendes Geld durch neue Schulden aufzustellen. Lieber sollten die Leistungen gekürzt werden.

Dieses "klare Bekenntnis zum Sparen" brachte eine Umfrage des OGM-Instituts im Auftrag des Gemeindebundes. Die Meinungsforscher haben 456 Bürgermeister und 976 "Normalbürger" befragt, wie Städte und Dörfer mit ihrer Finanzkrise umgehen sollen: Auf der einen Seite explodieren die Kosten für Spitäler, Soziales und Pflege, auf der anderen frisst die Krise Steuereinnahmen weg. Laut jüngster Prognose des Gemeindebundes steuert die Hälfte der Kommunen heuer auf ein Defizit zu - ein unrühmlicher Rekord.

Dementsprechend pessimistisch blicken die Bürgermeister in die Zukunft. Im Schnitt rechnen sie für 2010 mit einem Einnahmenentgang von elf Prozent aus den vom Bund überwiesenen Steueranteilen - wobei Gemeindebund-PräsidentHelmut Mödlhammer einräumt, dass die realen Zahlen besser sind. Gegenüber dem Katastrophenjahr 2009 liege man bis August sogar leicht im Plus.

Selbstbedienung zu Ende

Aber selbst ein leichter Zuwachs werde "unsere Probleme nicht lösen, weil auf der Ausgabenseite so viel hinzukommt" , warnt Mödlhammer. Schon jetzt sei deshalb eine bittere Lehre zu ziehen: "Die öffentliche Hand hat als Selbstbedienungsladen ausgedient." Die Gemeinden müssten "Auswüchse" à la gratis verteilte Skiliftkarten abstellen und die soziale Treffsicherheit erhöhen: "Ich habe kein Verständnis dafür, dass Millionäre ihre Kinder in den Gratiskindergarten schicken."

Sozialkürzungen stehen auf der Wunschliste von Bevölkerung und Bürgermeister allerdings weit unten. Unbeliebter sind laut OGM nur noch Einschnitte bei Feuerwehr, Rettung und anderen Hilfsorganisationen. Eine Mehrheit der Befragten findet hingegen Kürzungen bei der Infrastruktur und der schulischen Nachmittagsbetreuung akzeptabel. Am populärsten aber ist Sparen bei Kunst/ Kultur und Integration: Jeweils über 90 Prozent der Bevölkerung würden hier den Rotstift ansetzen.

"So ist das Leben" , seufzt Mödlhammer, der die Integration nicht zuoberst auf die rote Liste setzen würde: Die Leute würden halt gerne jene Bereiche nennen, bei denen sie sich am wenigsten betroffen fühlten. Aus diesem Grund habe man auch darauf verzichtet, die Akzeptanz von Steuererhöhungen abzufragen, das Ergebnis wäre erwartbar: "Ein Ja, solange es andere sind, die zahlen."

Lieber fordert Mödlhammer von der Bundesregierung einen Fonds oder eine Versicherung, um die rapide steigenden Kosten für die Pflege abzudecken, aber auch eine engere Zusammenarbeit der Gemeinden, etwa beim Bau von Kindergärten und Pflegeheimen oder bei der Ausschreibung größerer Straßenprojekte.

Zusammenlegung ein Gräuel

Die befragten Ortschefs sehen das ähnlich: über 80 Prozent sind für mehr Kooperation und Arbeitsteilung, aber gegen die Zusammenlegung ihrer Gemeinde mit einer anderen. Das dänische Modell wäre den österreichischen Ortschefs demnach ein Gräuel: Der Nordstaat hat seine einst 275 Gemeinden auf knapp 100 zusammengefasst.

Trotz aller geäußerten Prioritäten: Nur ein Drittel der Bürgermeister hat bisher angesichts der drohenden Engpässe konkrete Maßnahmen beschlossen. OGM-Chef Wolfgang Bachmayer resümiert: "Die Mehrheit der Gemeinden hat keinen Plan." (jo, DER STANDARD, Printausgabe, 5.8.2010)