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Fotoverbot bei der "Afghan Star"-Aufzeichnung: unser Archivbild zeigt Lima Sahar, die es 2008 fast ins Finale schaffte

Foto: AP/Rafiq Maqbool

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Gastgeber Omid Nezami

Foto: AP/Musadeq Sadeq

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Mehran Gulzar, Finalist 2009

Foto: AP/Musadeq Sadeq

Mit der Diskretion ist es nun endgültig vorbei. Seit kurzem, bin ich nicht mehr länger die Fremde, sondern die Fremde aus dem Fernsehen. Vor ein paar Tagen durfte ich gemeinsam mit einem englischen Kollegen in der ersten Reihe von "Best of Afghan Star" ein Fähnchen für einen der Kandidaten schwingen. Angelehnt an TV-Formate wie American Idol konkurrieren hier Möchtegernsänger um den Titel Afghan Star, Frauen wie Männer. Fünf Stunden applaudierten wir Afghanistans Stars und Sternchen. Und fünf Stunden sind extrem lang.

Annäherungsversuche

Vor allem dann, wenn man neben einem Keyboardvirtuosen sitzt, der seine Beine nicht unter Kontrolle halten will. Meinem englischen Kollegen Andrew ging es nicht besser. Kaum haben wir uns in die erste Reihe gesetzt und mit den Gästen um uns herum zu unterhalten, schnappt sich ein pummeliger Afghane mit Stachelfrisur und hautengem Shirt Andrews Notizblock. Andrew, im Glauben es handle sich um ein kulturelles Missverständnis, schaut irritiert auf die Nummer in seinem Block, dann auf besagten jungen Mann. "Boyfriend", sagt dieser nur selbstbewusst. Aus sichtbarer Nähe schickt er dann immer wieder Luftküsschen in unsere Richtung. Köstlich. 

Um weitere Avancen abzuwehren, sind wir für den Rest der Show offiziell verlobt. Solche Dinge gehen eben schnell in Afghanistan.

Afghan Star, ein Großereignis im Wohnzimmer afghanischer Familien, sofern sie einen Fernseher haben. Viele lassen es sich nicht nehmen, persönlich im Studio aufzukreuzen um ihre Kandidaten anzufeuern. Ganze Großfamilien marschieren auf und genießen die Show mitsamt Großmutter und Neugeborenem. Es ist das Finale zwischen dem hübschen hochgewachsenen Sharif und dem bulligen charismatischen Ziar. Hinter mir sitzen fast ausschließlich Ziar-Fans, nur eine Sharif-Anhängerin hat sich in unseren Sitzblock verirrt. Mit ihren Fähnchen und Neonplastikluftrohren winken sie ihren Favoriten zu, applaudieren frenetisch. Von den Männern im Publikum gibt es Standing Ovations, Luftumarmungen die sie den beiden Sängern entgegen schicken. Die Mädchen halten sich zurück, sie schauen verliebt und diskutieren untereinander die jeweilige Gesangsleistung.

Ohne Kopftuch und Mantel

Dann kommt die Sängerin Sita Ghasemi auf die Bühne. Und es wird still für wenige Sekunden. Ohne Kopftuch und ohne Mantel präsentiert sie ihre langen dunklen Locken und schwingt ihre Hüften in engen Stoffhosen. Die Mädchen hören auf, mit ihren Fähnchen zu winken, schauen sie verstohlen an, manche bewundernd. Von den Männern, machen die Jungen keinen Hehl daraus, dass ihnen gefällt was sie sehen, manche Älteren senken den Blick. Und Ghasemi ist es, die am nächsten Tag in den Büros für Gesprächsstoff sorgt (nicht zu vergessen die zwei Fremden in der ersten Reihe , die bei afghanischem  Pop ungeschickt mitwippen).

"So sehr ich sie auch mag und als junge Frau unterstütze, unsere Gesellschaft ist einfach noch nicht bereit für so etwas", meint eine Büroangestellte. Ihre Kollege ist eine Spur harscher: "Verschon mich mit der Schnepfe, ich habe gleich umgeschaltet, als sie aufgetreten ist. Ich will ja nicht, dass sich meine Schwestern ein Beispiel an so etwas nehmen." Den Blicken mancher Mädchen im Publikum zu urteilen, ist das bereits geschehen. (Solmaz Khorsand aus Kabul, derStandard.at, 4.8.2010)