Bild nicht mehr verfügbar.

Unterstützer der Verfassungsreform in der kenianischen Hauptstadt Nairobi haben sich das Ja auf ihre Körper gemalt.

Foto: APA/EPA/Kurokawa

In Suswa standen sich beide Seiten direkt gegenüber: auf der einen Seite die in grüne T-Shirts gekleideten Befürworter einer neuen Verfassung, auf der anderen Verfassungsgegner mit roten Karten. "Sie haben uns verboten, nach Suswa zu kommen, aber wir sind trotzdem hier" , heizte Minister William Ruto, inoffizieller Anführer der Verfassungsgegner, der johlenden Menge ein. "Den Befürwortern sind die Ideen ausgegangen, deshalb wollen sie jetzt uns behindern."

Dass die Kundgebung mutmaßlich auf heiligem Massailand stattfand, erwähnte Ruto so wenig wie der Starredner, Daniel arap Moi. Nicht zuletzt der Auftritt des despotischen Expräsidenten zeigt, dass die Debatte um Kenias neue Verfassung (die alte stammt von 1963) sich längst nur noch um zweierlei dreht: um Land und um Macht. In weiten Teilen Kenias ist das ein und dasselbe.

Illegale Landvergabe

Als das Regime von Moi, der Kenia bis 2002 vierundzwanzig Jahre lang regierte, das Geld ausging, verlegte er sich darauf, seine Unterstützer mit staatlichem Land zu entlohnen: Die derzeitige Verfassung gibt dem Präsidenten das letzte Wort in Landfragen. Menschenrechtler schätzen, dass allein in den letzten Moi-Jahren hunderttausende Hektar Land illegal den Besitzer wechselten, nicht zuletzt zugunsten des Präsidenten. Die neue Verfassung soll das Unrecht rückgängig machen: Eine Landkommission soll illegale Landgeschäfte aufheben und betroffene Ländereien an lokale Volksgruppen zurückgeben. Auch eine Obergrenze für Landbesitz soll festgelegt werden.

Moi, der als Präsident Massailand seiner Kalenjin-Volksgruppe übereignet hat, warnt nun die Massai: Die Verfassung "gefährdet die Rechte an eurem Land, seid vorsichtig, dass man sie euch nicht am Wahltag stiehlt." Kenias Landminister James Orengo beruhigt: "Wer sein Land legal erworben hat, muss keine Angst vor der neuen Verfassung haben." Doch die Besitzer illegalen Landes sind meist reich und einflussreich.

Der Verfassungsentwurf ist in vielem ein Kompromiss: Kenia soll auch in Zukunft von einem starken Präsidenten geführt werden, das Parlament bekommt aber Kontrollmöglichkeiten. Das Land wird in 47 Provinzen aufgeteilt, die in einem Senat genannten Oberhaus vertreten sind. Zu den wirklichen Innovationen gehören die umfassende Garantie von Bürgerrechten und der Gleichstellung von Frauen, eine neue Struktur für die als korrupt verschriene Justiz und die Einführung der doppelten Staatsbürgerschaft.

Bei ihrer Kampagne betonen die Verfassungsgegner hingegen populistisch ausschlachtbare Randthemen, etwa den Paragrafen, der Abtreibung erlaubt, wenn das Leben der Mutter gefährdet ist. Einflussreiche evangelikale Kirchen verurteilen das ebenso als Teufelswerk wie die Verankerung der traditionellen muslimischen Khadi-Gerichte in der Verfassung. Dabei geht es bei der Abstimmung vor allem darum, wer Präsident Mwai Kibaki 2012 nachfolgen soll.

Nachfolge im Präsidentenamt

Rutos Engagement gegen eine neue Verfassung gilt als Versuch, sich für das Amt in Stellung zu bringen. Beste Chancen im Falle einer Ja-Mehrheit hätte hingegen Premier Raila Odinga, eine Galionsfigur der Verfassungsbefürworter. Die Chancen stehen gut: Umfragen sagen eine Mehrheit von 58 Prozent für die Verfassung voraus, während die Gegner auf allenfalls 22 Prozent kommen. Rutos Präsidentenpläne wären damit wohl gescheitert. (Marc Engelhardt aus Nairobi/DER STANDARD, Printausgabe, 3.8.2010)