Rom - Nach dem Bruch mit dem Präsidenten der Abgeordnetenkammer Gianfranco Fini muss der der italienische Premierminister Silvio Berlusconi auf den langersehnten Sommerurlaub verzichten. Um an einer politischen Strategie zur Stabilisierung seiner Mitte-Rechts-Regierung zu feilen, wird der Premierminister den August in Rom verbringen. Konkret denkt er an eine Erweiterung seiner Regierungskoalition. Nach Angaben italienischer Medien vom Montag führt Berlusconi Gespräche mit der christdemokratischen Partei UDC, die bis vor 2008 dem Regierungslager angehört hatte.

Die UDC um den Christdemokraten Pier Ferdinando Casini zählt seit zwei Jahren zu den Oppositionsparteien, hielt sich aber eine Zusammenarbeit mit Berlusconi offen. In der aktuellen Regierungskrise scheint die Partei aber nicht bereit, sich als Mehrheitsbeschaffer für den angeschlagenen Regierungschef herzugeben.

Übergangsregierung

Casini tritt vielmehr für eine Übergangsregierung ein, an der auch die Oppositionsparteien beteiligt sein sollen. Ziel des Kabinetts sollte die Bewältigung der Krise und die Umsetzung des vom Parlament verabschiedeten Sparplans zur Eindämmung der ausufernden Verschuldung sein, forderte die UDC. Laut Casini wird die Regierung im September im Parlament schwere Niederlagen bei Abstimmungen über heikle Projekte wie das umstrittene Abhörgesetz erleiden, gegen das Journalisten, Medien und Richter seit Monaten protestieren. Daher sei eine Übergangsregierung eine Notwendigkeit, um Italien Stabilität zu bescheren.

Um sich mehr Chancen zu sichern, geht Berlusconi auch auf Stimmenfang unter den Fini-Parlamentariern, berichteten regierungskritische Parteien am Montag. Angeblich soll der Medienzar ihnen prestigereiche Posten in der Regierung versprochen haben, um sich ihrer Loyalität zu versichern. 33 Abgeordnete und zehn Senatoren haben sich der Fini-Fraktion mit dem Namen "Zukunft und Freiheit in Italien" angeschlossen. Zwar versicherte Fini, dass seine Parlamentarier die im Wahlprogramm festgelegte Parteilinie weiterhin unterstützen werden, Berlusconi befürchtet jedoch, dass der ambitionierte Rechtspolitiker die nächste Gelegenheit ausnutzen könnte, um die Regierung zu stürzen und Neuwahlen zu erzwingen.

Der 58-jährige Fini, der am Freitag aus der Regierungspartei "Volk der Freiheit" gedrängt worden war, macht kein Hehl daraus, dass er gern Berlusconi an der Spitze der Mitte-Rechts-Koalition ablösen würde. Seit 16 Jahren arbeitet der Ex-Neofaschist daran, sich als gemäßigter Rechtspolitiker zu profilieren. Er hofft auf Zuspruch bei konservativen Wählern, die Berlusconi mit seinen Justizproblemen und seinen scharfen Angriffen gegen Richter und Opposition vor den Kopf gestoßen hat.

Die Opposition hofft auf eine Übergangsregierung. Oppositionschef Pierluigi Bersani drängt auf ein "technisches Kabinett" unter Beteiligung seiner Demokratischen Partei (PD), das unter anderem ein neues Wahlgesetz verabschieden sollte. "Italien braucht ein Wahlgesetz, das dem Land eine solide Mehrheit garantiert", betonte Bersani, der Chef der größten Oppositionspartei. Die Oppositionspartei "Italien der Werte" um den Ex-Staatsanwalt Antonio Di Pietro drängt dagegen auf vorgezogene Parlamentswahlen.

Inzwischen fiebert Berlusconi seinem ersten "Stresstest" nach dem Bruch mit Fini entgegen. Das Parlament muss über die Zulassung eines Misstrauensantrags gegen den Unterstaatssekretär im Justizministerium, Giacomo Caliendo, entscheiden, der der Korruption verdächtigt wird. Mit dem Misstrauensantrag gegen Caliendo hofft die Opposition den zu Berlusconis Partei gehörenden Caliendo zum Rücktritt zu zwingen. Dies war ihr vor drei Wochen mit dem Unterstaatssekretär im Wirtschaftsministerium Nicola Cosentino gelungen.

Offen ist, wie sich die Fini-Anhänger verhalten werden. Erst vergangene Woche hatte Fini für den Rücktritt aller Mitglieder der Regierungskoalition plädiert, die in Korruptionsaffären verwickelt sind. Sollte Caliendo zum Rücktritt gezwungen werden, wäre dies ein weiterer harter Schlag für Berlusconi, der in den vergangenen Wochen schon drei Regierungsmitglieder wegen Korruptionsvorwürfen verloren hat. (APA)