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Fotografieren war verboten, deshalb ein Symbolbild einer afghanischen Hochzeit aus dem Jahr 2009 aus Herat. (EPA/Farahnaz Karimy)

Foto: EPA/FARAHNAZ KARIMY

Fitnesscenter-Werbung in Kabul

Foto: Solmaz Khorsand

Afghanische Bräute kaufen hier ein

Foto: Solmaz Khorsand

Der Afghane geht im Jahr auf rund 20 Hochzeiten, behaupten meine Kollegen. Also darf ich das Land nicht verlassen, bevor ich nicht mindestens einmal auf einem dieser gesellschaftlichen Ereignisse war.

Und wie so oft in den vergangenen Wochen, nimmt mich unser Fahrer unter die Fittiche und schleust mich in unserer Mittagspause auf die Hochzeit seines Cousins. “Sie sind traditionell, also benimm dich”, meint er. Soll heißen: traditionell, Frauen und Männer feiern getrennt, essen getrennt, tanzen getrennt – und da machen sie keine Ausnahme, ob Exotin oder nicht, also rüberlugen auf die verbotene Seite zu den Männern ist nicht, du bleibst schön bei den Frauen sitzen.

Pop als Zeitvertreib

Nun sitze ich mit rund hundert Müttern, Grossmüttern, Tanten, Cousinen und Schwestern in einem kleinen Haus mit Innenhof im Stadtzentrum und warte auf die Braut. Seit acht Stunden ist sie schon bei der Kosmetikerin. Ungeduldig wirken die Gäste nicht, im Gegenteil, bei afghanischem Pop beginnen die Schwestern der Braut der Menge im Innenhof einzuheizen.

Sie wiegen ihre Hüften zum Rythmus und balancieren gekonnt auf hohen Absätzen. Ihr Makeup ist abenteuerlich, dass so viele Farben auf ein Augenlid passen ist beeindruckend. Auch die Qualität afghanischer Haarsprays ist nicht zu verkennen: die Haare gleichen blickdichten Vogelnestern a la Sechziger. Respekt.

Pubertierende Zensorin

Fotos darf ich keine machen, dazu hat man mir sicherheitshalber einen Anstandswauwau zur Seite gesetzt. Eine 15-Jährige, die sich sofort meine Kamera schnappt und jedes Foto löscht (selbst jene Fotos von den Füßen der Frauen mit den aufregenden High Heels lässt sie nicht durchgehen).

Das weibliche Schönheitsideal

Geduldig führen mich die afghanischen Frauen ein in das Schönheitsideal des afghanischen Mannes: Mollig soll sie sein. Und je mehr man in den Süden des Landes kommt, desto mehr darf Frau auch auf den Rippen haben (lässt sich auch kaum verhindern bei minimaler Bewegungen und maximalen Fettgehalt im Essen.) Weiß soll sie sein wenn möglich und Glubschaugen wären auch von Vorteil. Dass sie blutjung sein soll, brauchen sie nicht extra zu erwähnen (hiesige Braut ist mit 21 Jahren vergleichsweise alt.)

Der Mann

Die Wunschvorstellungen an den afghanischen Mann: Gebildet, finanziell abgesichert, ach ja und ein Six-Pack schadet auch nicht. Keine Sorge, Afghanistans Männer legen Wert auf ihr Workout, keine Straße in der nicht ein Plakat mit einem schwitzenden Anabolikamenschen hängt, der zum Fitnesscenterbesuch animiert.

Und selbst?

Und natürlich darf die übliche Inquisition nicht fehlen, wenn man als Fremdling in einem familiären Großereignis auftaucht. “Und bist du verheiratet?”, fragt eine Mittvierzigerin während dem Essen (besagte Braut ist bis zu dem Zeitpunkt immer noch nicht aufgetaucht).

Stille. Alle Augenpaare sind auf mich gerichtet, wie ich ungeschickt ohne Besteck den Reis mit einem Stück Brot von meinem Teller aufklaube und am Versuch scheitere, meine tauben Beine aus dem Schneidersitz zu lösen. 

“Verheiratet noe”, murmele ich mit vollem Mund. Wieder betretenes Schweigen. “Hach keine Sorge, Bibi Haji organisiert da schon was”, meint selbige Frau aufmunternd. Bibi Haji, übersetzt “Großmutter, die auf der Haj war”, begutachtet mich kritisch. Mmh, die weiße Haut ist ein Pluspunkt, aber das hohe Alter (25) ...

Ihr Fazit:”Keine Sorge, ich find dir schon einen guten Muslim.” (Solmaz Khorsand aus Kabul, derStandard.at, 1.8.2010)