Salzburg - Es ist eine der schönen Ideen des heurigen Konzertprogramms der Salzburger Festspiele, Werke von Schumann und Chopin gegenüberzustellen, zumal die beiden Romantiker trotz einiger Parallelen und Berührungspunkte selten auch nur in einem Atemzug genannt werden. Und selbst wenn dies geschieht, schwingt häufig das Vorurteil mit, dass die beiden kaum als gleichwertig zu betrachten seien.

Der Name Evgeny Kissin versprach denn auch durchaus, Erhellendes zu dieser Konstellation beizutragen, zumal der Moskauer zu Recht als ein Alleskönner unter den Pianisten der Gegenwart gilt. Das erste von zwei Konzerten im Großen Festspielhaus am Freitag blieb allerdings unerwartet blass. Eine Auswahl von Nocturnes und Mazurken Chopins vermittelte mehr den Eindruck ungeliebter Pflicht als vom Staunen über die Ungeheuerlichkeiten, die diese Miniaturen bei all ihrer Übersichtlichkeit manchmal enthalten.

Behände und gesanglich

Kissin formulierte die Stücke eher als einen Katalog perfekter Nettigkeiten, spielte sie gepflegt, gerundet und ohne besondere Anteilnahme. Seine immensen Fähigkeiten kamen zwar immer wieder zum Vorschein, und auch an klanglicher Ausgewogenheit fehlte es nicht. Dabei erreichte Kissin aber nie auch nur annähernd jene Präsenz, mit der er dann am Ende des Abends Schumanns virtuose Toccata op. 7 präsentierte. Warum er hier allerdings mitten im rasenden Gefecht und ganz untypisch für ihn keck ins Publikum blickte, erschloss sich weder aus dem musikalischen Zusammenhang noch aus auffälligeren Störungen im Auditorium.

"Durchaus phantastisch", wie Schumann am Beginn seiner Fantasie op. 17 dem Interpreten vorschreibt, war auch diese nicht. Zwar entwarf Kissin behände den schwärmerischen ersten Satz mit seiner drängenden Bewegtheit. Das lyrische zweite Thema ließ aber ebenso seinen Zauber vermissen, wie die überirdischen Terzrückungen des letzten, langsamen Satzes zu wenig ausgeleuchtet wurden. Nicht nur aufgrund von Konzentrationsmängeln fehlte auch dem mittleren Marsch bei aller manuellen Verve der entscheidende Funke.

Dass er - wie vermutet werden kann - nicht eine seiner inspiriertesten Stunden hatte, hinderte den Pianisten freilich keineswegs daran, drei Zugaben zu geben. Bei Schumanns Widmung in der Bearbeitung von Liszt demonstrierte Kissin nochmals seine Fähigkeit, kantable Linien und huschende Begleitfigurationen voneinander abzuheben. Doch blieb auch das, ähnlich wie zwei Chopin-Walzer, diesmal kaum mehr als Routine. (Daniel Ender, DER STANDARD/Printausgabe, 01.08.2010)

Heute, Montag, gastiert Evgeny Kissin nochmals mit anderem Programm im Großen Festspielhaus. Restkarten: 0662/80 45-500