Wer heilfastet, hat ab dem dritten Fastentag keinen Hunger mehr und kommt mit sehr wenig Nahrung aus. Viele erleben das als Glücks- gefühl.

Foto: Lanserhof

In Langschlag beginnt die Fastenwoche mit einer Gemüseplatte. Sie ist der Auftakt für eine Woche Heilfasten nach Otto Buchinger. "80 Prozent unserer Gäste kommen regelmäßig ein- bis zweimal im Jahr", sagt Karl Laister, Besitzer des Hotels Klosterberg im Waldviertel. Sie kennen das Ritual der 10-tägigen Kur, in der die Mahlzeiten ausschließlich aus Obst- und Gemüsesäften oder Gemüsebrühe bestehen. Am zweiten Tag wird gemeinsam "geglaubert" (siehe Wissen) - zur Darmreinigung. Dass das grausig schmeckt, wissen alle, doch es muss sein, damit der Darm sich vollständig entleert und das Fasten seine Wirkung als Reinigungsprozess des Körpers entfalten kann. "Der zweite und dritte Tag ist für Fastenneulinge manchmal schwierig", weiß Laister aus Erfahrung, doch spätestens am dritten Tag haben die meisten diese Krise überwunden und spüren schon die neuen Kräfte.

Wer in Klosterberg heilfastet, isst nur nicht nichts, sondern verzichtet auch auf Alkohol, Nikotin und Koffein. Auch das Handy soll ausgeschaltet bleiben, denn nur so stellen sich Ruhe und Erholung für den Organismus ein.

Körperzentriert sein

Zur Unterstützung des Ausstiegs aus dem Alltag gibt es ein umfassendes Rahmenprogramm: Nordic Walking, Massagen, Sauna oder Leberwickel, abends gibt es Gesundheitsvorträge, Meditation, "lauter Körper-Seele-Sachen, für die man sonst einfach keine Zeit hat", bringt es ein Stammgast auf den Punkt. Ein anderer sieht das genauso und nennt es "Urlaub vom Leben machen". Bemerkenswert dabei: Obwohl oder gerade weil niemand hier viel isst, steht der Körper im Mittelpunkt. Bei den gemeinsamen Mahlzeiten wird Suppe gelöffelt, "nirgendwo sonst wird so viel wie hier über den Stoffwechsel geredet", ist das Resümee einer 40-Jährigen, die seit zehn Jahren kommt, weil sie sich so gut wie nach dieser Woche sonst niemals fühlt.

Aus medizinischer Sicht spielt sich beim Fasten Folgendes im Körper ab: Setzt die Nahrungszufuhr aus, werden die körpereigenen Reserven angezapft - zunächst die Energiespeicher in der Leber, dadurch erhöht sich der Blutzuckerspiegel. Die Harnsäure steigt vorübergehend, weil der Körper entgiftet - manche klagen deshalb über Kopfweh, Müdigkeit oder Kältegefühl. Am dritten Tag dann ist der Körper auf Nahrungsmangel eingestellt und gewinnt seine Energie aus den Fettdepots, die dadurch auch reduziert werden. Erstaunlicherweise schüttet das Gehirn bei Nahrungsentzug Serotonin aus, und das ist die Erklärung für das Phänomen des "Fasten-Highs".

Wenn der Organismus auf Sparflamme umgestellt hat, ruht auch der Verdauungstrakt. Mit Glaubersalz oder Einläufen wird die Entleerung aber weiter aufrechterhalten.

Im Parkhotel Igls in Tirol wird nach der Methode von F. X. Mayr gefastet. "Fasten bedeutet sich schonen, vor allem auch die Verdauungsorgane", sagt Brigitte Schirmer-Fereberger. Die Allgemeinmedizinerin ist seit 17 Jahren Fastenärztin. Im Gegensatz zur Saftkur nach Buchinger wird hier auf frische Lebensmittel wie etwa Gemüsesaft verzichtet. Dafür stehen Dinkelleibchen und Joghurt auf dem Programm - für Laktose- und Glutenintolerante gibt es ein Alternativprogramm. Insgesamt werden im Parkhotel Igls drei Wochen Heilfasten empfohlen, die meisten absolvieren zwei Wochen im Hotel und fasten die letzte zu Hause. "Das Wohlbefinden stellt sich erfahrungsgemäß nach der Entgiftungsphase am dritten Tag ein, weil die Kräfte zurückkehren, da haben viele den Aha-Effekt", sagt Schirmer. Hunger ist dann kein Thema mehr. Zum einen, weil die Menschen hier viel trinken, zum anderen, weil sie das Dinkelbrot extrem lange kauen sollen. "Wer lange kaut, isst nicht zu viel, weil er merkt, wann er satt ist", sagt die Ärztin, die ihren Patienten während der Kur neben Säuberung und Schonung auch Schulung zuteil werden lassen will: "Es geht darum, ungesunde Muster im Lebensstil zu brechen und wieder gesünder zu leben", so Schirmer.

Langzeitwirkung

Die Effekte des Heilfastens beobachtet sie unmittelbar: etwa bei Bluthochdruckpatienten oder Diabetikern, die plötzlich mit geringeren Medikamentendosen auskommen - auch die Blutwerte verbessern sich. "Idealerweise leben die Menschen nach Fastenkuren bewusster und steuern damit selbst dem Jojo-Effekt entgegen. Viele kommen aber zurück, wenn ihr Lebensstil wieder einmal entgleist ist."

Das Fastenbrechen mit einem halben Apfel ist in Langschlag beim Buchinger-Fasten ein zentrales Ereignis, "die Gemüseplatte schmeckt dann wunderbar, weil die Geschmacksnerven so sensibel sind", konstatiert eine 40-Jährige. Sie komme immer wieder, weil nach dieser Woche die Augen strahlen, die Haut rosig und der Körper topfit ist. (Karin Pollack, DER STANDARD Printausgabe, 2.8.2010)