Willkommensblicke am Flughafen in Kabul

Foto: Solmaz Khorsand

"Chareji", wispern sie und kichern. Fremde, damit muss man rechnen, wenn die Tunika nicht ganz über den Hintern reicht, das Kopftuch schlampig übers Haar gestülpt wurde und man zu neugierig jedem in die Augen schaut. Mein Fehler. Willkommen in Kabul.

Zwei Stunden hat der Flug gedauert von Dubai nach Kabul. Die meisten Passagiere sind Amerikaner, gerade eine Handvoll Afghanen hat sich in die Maschine verirrt. Ein überschaubares Grüppchen mondäne Mittelschicht in Poloshirts und Jeans. Und dann wären da noch die sechs bärtigen Männer mit Turban und Pyjamahose, die vorsichtig von allen beobachtet werden wie sie gemächlich an den Stewards vorbeischreiten. Man will sie ja nicht gleich anstarren, könnten es doch die zukünftigen Geschäftspartner oder gar Kollegen sein. Schließlich sind wir doch alle Kosmpoliten, da lassen wir uns von ein bisschen Turban nicht einschüchtern. Trotzdem, richtig geheuer ist meinen zwei bulligen Sitznachbarn aus Amerika die Szenarie nicht, ihr Frühstück rühren sie kaum an.

Kabul, mon amour. Gespenstisch still ist es hier auf den Straßen. Hier bestimmen die Maschinen die Geräuschkulisse, die Autos und Hubschrauber, weniger die Menschen. “Was erwartest du, jahrelang haben wir uns in unseren vier Wänden verkrochen. Da blüht man nicht auf, von einem Tag auf den anderen”, sagt Said. Der pummelige Mittvierziger arbeitet seit Jahren als Wachmann für verschiedene Hilfsorganisationen. Gutmütig ist er und stets besorgt um die Sicherheit seiner Schützlinge, am Liebsten würde er sie einzeln von der Arbeit nach Hause bringen. Gelegentlich ruft er morgens an, berichtet vom jüngsten Bombenanschlag auf ein Gendarmeriegebäude in seinem Viertel der Stadt. Gott sei Dank, sei Niemanden aus der Familie etwas passiert. Dann zitiert Said eines seiner liebsten afghanischen Sprichwörter: “Verkenne nicht die einsame Ecke”, übersetzt: Bleib zu Hause westliches Mädchen, dann kann dir auch nichts passieren. Die Vorstellung als junge Frau alleine in diesem “Land voller Unfälle” wie er es nennt, herumzustreifen, gefällt Said gar nicht. Und der kurze Mantel übrigens auch nicht. Der wird kurzerhand ersetzt durch einen schwarzen bodenlangen eleganten Umhang seiner Frau. Tashakoor. (Solmaz Khorsand aus Kabul, derStandard.at, 25.7.2010)