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Mansur Dalil (links) und Mubarak al-Shabwani, Al-Kaida-Mitglieder, Anfang Juli im Gefängnis in Sanaa. Beide wurden für Angriffe auf Sicherheitskräfte zum Tode verurteilt.

Foto: Reuters/Abdullah

Sanaa/Wien - Ist im Jemen ein Feuer halbwegs unter Kontrolle, bricht das andere aus. Im Moment sind wieder alle drei großen Probleme des Armenhauses auf der arabischen Halbinsel akut: Al-Kaida zeigt ihre Stärke, der - bereits halbwegs befriedet geglaubte - Krieg mit den schiitischen Huthi-Rebellen im Norden ist wieder heiß, und die südlichen Sezessionisten melden sich laut zu Wort.

Wobei Al-Kaida geschickt die inneren jemenitischen Konflikte nützt, um in der armen und frustrierten Bevölkerung Fuß zu fassen und Unterstützung zu requirieren. Die Verbrecherjagd und der Tod eines Verhafteten nach einem Al-Kaida-Angriff auf die Geheimdienstzentrale in Aden - mit elf Toten die Schwäche der Behörden demonstrierend - löste Anfang Juli in der ehemaligen südjemenitischen Hauptstadt Unruhen aus. Am daraufhin von Separatisten ausgerufenen "Tag des Zorns" erschoss die jemenitische Polizei zwei Demonstranten.

Die Behörden machen die Sezessionsbewegung auch für Sabotageakte verantwortlich: So häuften sich zuletzt im Süden die Brände in Elektrizitätswerken. Die Separatisten wünschen sich eine Rückkehr zur Teilung des Jemen: Sie werfen der Regierung in Sanaa - und da besonders Präsident Ali Abdullah Saleh und seiner Familie - die systematische wirtschaftliche und politische Vernachlässigung des Südens vor. Saleh war ja bereits zwölf Jahre nordjemenitischer Präsident, bevor er 1990 Präsident des vereinigten Jemen wurde. Seine laufende Amtszeit dauert bis 2013.

Saleh ist aus dem Norden und ursprünglich ein Zaidi, das heißt, er stammt aus jener Bevölkerungsgruppe, mit der er als Präsident seit 2004 einen bitteren Krieg führt. Die rebellischen Huthis sind ein zaiditischer Clan. Auch hinter diesem Konflikt, der in den vergangenen Tagen wieder dutzende Tote forderte, steht die Marginalisierung der Peripherie - der Provinz Saada ganz im Norden - durch das Zentrum. Dazu kommen noch religiöse Unterschiede: Die schiitischen Zaidis beklagen den wachsenden Einfluss der wahhabitischen-sunnitischen Ideologie auf die Regierung; diese wirft ihrerseits den Huthis zaiditischen Revisionismus vor: Eine zaiditische Dynastie war ja im (späteren) Nordjemen bis zur Revolution 1962 an der Macht.

Ein im Februar geschlossener Waffenstillstand zwischen Huthis und Sanaa, der zwar immer wieder gebrochen wurde, aber die Lage doch entspannt hatte, scheint nun den Bach hinunterzugehen. Am Mittwoch wurden bei Gefechten zwischen Huthis auf der einen Seite und Regierungstruppen und mit ihnen kooperierenden Stammesmilizen auf der anderen mindestens 19 Menschen getötet. Dabei hatte sich die Regierung der Opposition gegenüber erst am Wochenende zu einem "nationalen Dialog" verpflichtet, zu dem die Freilassung von 400 nördlichen Rebellen und 28 südlichen Separatisten gehört.

"Obamas Afghanistan"

Auf Al-Kaida macht das keinen Eindruck: Am Donnerstag wurde wieder ein Militärkonvoi im Süden angegriffen, fünf Soldaten wurden getötet. Der von Washington als "special designated global terrorist" vogelfrei ausgeschriebene US-Bürger Anwar al-Awlaki hat zu Wochenbeginn auf eine islamistische Homepage folgende Botschaft gestellt: "Wenn George W. Bush als derjenige Präsident erinnert werden wird, der die USA in Afghanistan und dem Irak festgefahren hat, dann wird wohl Obama derjenige sein, der die USA im Jemen festfährt."

Die USA haben zwar kein offizielles militärisches Engagement im Jemen, aber es wurden bereits zumindest zwei größere Luftangriffe auf Kaida-Camps geflogen, außerdem gibt es eine weitgehende militärische Zusammenarbeit mit der jemenitischen Regierung. Was wiederum die Wut der Rebellen erhöht und die Propagandaarbeit von Al-Kaida erleichtert. (Gudrun Harrer/DER STANDARD, Printausgabe, 23.7.2010)