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Als Kollege H. aus London heimkehrte, erzählte er: "Wer dort cool ist, fährt ein altes Rennrad. Neonfarben und ohne Gangschaltung." Nun: Ganz neu ist der Retro-Renner-Trend auch bei uns nicht. Auch Neontöne gibt es zu bewundern - doch während dem "Fixie" (kurz für: "fixed gear", Räder mit starrer Übersetzung ohne Freilauf) hier schon Raum gewidmet war, ist das hippe "Single Speed" an dieser Stelle vielleicht unter Relevanz gespielt worden.

Mea culpa: "Single Speed Bikes" sind nix anderes als "Kein-Gang-Räder". Und die waren in der Jugendzeit des Autors subjektiv-gängiger (sic!) Rad-Alltag im hügeligen Favoriten, während die Mitpubertierenden auf fuchsschwanzbewehrten "High Risern" (Sitzbank, Easyrider-Lenker, Nabendreigangschaltung - schwer und unpraktisch, aber damals cool) den Wienerberg unsicher machten: Das schmerzhaft gefühlte Manko "schaltungslos" zum Assett zu erklären war da wirklich gar keine Option.

Vielleicht ist das mit ein Grund, dass die Freude am Minimalismus bis heute endet, wo Funktion, Form und Inhalt Marketingblabla weichen: Niemand würde Opas Waffenrad, Tante Ernis Uralt-Klapprad oder diverse Kinderräder heute "Single Speed"- Bikes nennen. Und das Nichteinbauen noch der schlichtesten seit Mitte der 1920er-Jahre massenmarkttauglichen Torpedo-Dreigangschaltung (ganz zu schweigen von allem, was danach kam) als Mehrwert anzupreisen (und zu verrechnen) ist schlicht absurd.

Doch nicht nur der Neid, den Trend verpasst zu haben, hindert mich, den Trend zu feiern, sondern eine andere Kindheitserinnerung: die an das Märchen von des Kaisers neuen Kleidern - und dem ehrfürchtigen Volk, das nicht wagte, "der ist ja nackt" auch nur zu denken. (Thomas Rottenberg/DER STANDARD/Automobil/16.07.2010)