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Eine "Elfentür" in Island lässt die Fabelwesen ins Diesseits passieren.

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Auch in Kopenhagen, Zentrum der isländischen Diaspora, lebt der Aberglaube weiter.

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Reykjavík/Kopenhagen/Wien - "Elfen und Feen gibt es nicht nur in Island. Ich habe fast überall auf der Welt mystische Wesen angetroffen." Magnus Skarphedinsson muss es wissen. Der 55-jährige Isländer leitet die einzige Elfenschule auf der Welt. Hier kann jeder Interessierte etwas über das "Huldufólk" lernen, das "versteckte Völkchen", das die grauen Steinhügel der kargen isländischen Landschaft bewohnt.

Er ist damit ein Botschafter seines Landes, beinahe wichtiger als sein Bruder Ossur, der Außenminister Islands ist. "Der glaubt aber nicht an Elfen", sagt Magnus lachend, das habe man ihm in der Schule ausgetrieben, wo die Lehrer nicht allzu mystisch wären.

Er treffe die Elfen regelmäßig, rede mit ihnen, esse und übernachte in ihren Häusern, sagt Magnus. Ihre Existenz sei halb in unserer Welt und halb in ihrem eigenen Feenreich. Überall auf der Insel gebe es heilige Orte, sogenannte "Àlagblettir", die ihnen gehören und den Menschen eher Unheil bringen, vor allem dann, wenn sie das sensible Gleichgewicht der Natur in Island störten.

Die Elfen des Umweltschutzes

Denn hinter den Mythen und Märchen Islands "steckt eine jahrtausendealte ökologische Erfahrung", erklärt der isländische Kulturhistoriker Arni Björnsson. Die Umwelt der Nordatlantik-Insel ist fragil. Gab es in der Vergangenheit nur leichte Schwankungen in der Temperatur, oder einen Vulkanausbruch, so konnten die zu Ernteausfällen und Hungersnöten führen. Schon die Wikinger, die Island erstmals vor 1000 Jahren besiedelten, holzten einen Gutteil des Waldes ab. Seither ist Erosion eine ständige Gefahr für die Landwirtschaft. Darum hat sich eine Tradition herausgebildet, die Natur als heilig zu verehren, denn man ist mit dem eigenen Leben von ihrer Willkür abhängig.

So werden bei Straßenbauprojekten beinahe immer die Anrainer mit einbezogen, und das nicht nur für Umweltfragen. "Es kann nicht geleugnet werden, dass der Glaube an das Übernatürliche gelegentlich der Grund für Einsprüche ist. Diese Meinungen werden von uns mit einbezogen wie andere auch", heißt es dazu in einem Schreiben des Straßenbauamtes in Reykjavík. Und: "Wir ehren die Überlieferung unserer Vorfahren. Wenn es heißt, dass dieser oder jener Stein verflucht ist, dann ist das Teil unserer kulturellen Tradition." Immer wieder wurden Bauprojekte aus Rücksicht darauf geändert oder gestoppt.

Nicht alle Isländer seien darum spiritistisch veranlagt, wie das ausländische Journalisten gerne behaupten würden, klagt der Volkskundler Björnsson. Vielmehr sei die Idee, dass alle Isländer an Feen glauben, "ein Mythos, der im letzten halben Jahrhundert geschaffen wurde", um Touristen anzulocken. Wahr sei eher, dass nur zehn Prozent der Isländer tatsächlich an Übernatürliches glauben würden - nicht mehr als in anderen Ländern. Der Unterschied sei bloß, dass die Betreffenden dies offen zugeben würden, so Björnsson, und sogar stolz darauf seien. Weitere zehn Prozent der Bevölkerung würden die Idee völlig ablehnen.

Umfragen bestätigen tatsächlich, dass die große Mehrheit zwar nicht an Übernatürliches glaube. Die Existenz von Feen und Elfen wollen die meisten aber auch nicht völlig ausschließen.

Die Feen der Diaspora

"Ich glaube, man sollte sich nicht mit ihnen anlegen", sagt Helga Kristín, die - nach einem Auslandssemester an der Uni Klagenfurt - vor einigen Jahren nach Kopenhagen zog. Sie ist eine von rund 5000 Isländern, die hier leben, zum Studium oder zur Arbeit. Die Isländer sind reiselustig, und viele verbringen zumindest einige Jahre im Ausland.

Kopenhagen gilt, aufgrund langer historischer Bande, als Zentrum ihrer Diaspora. Neben ihrem Studium unterrichtet Helga Kristín einmal die Woche rund 35 isländische Kinder in ihrer Muttersprache und in ihrer Kultur. Das "versteckte Völkchen" sei "ein Teil von uns, den man nicht von uns trennen kann".

Man müsse den Kindern lehren, die Natur nicht zu missbrauchen, dazu sei das Konzept der Feen sehr hilfreich. Auch ihr eigener Sohn, jetzt zwei Jahre alt, werde einmal an die schönen Märchen glauben. Diese seien immer noch besser als das Versprechen vom Finanzreichtum, das vor dem Bankencrash und der Wirtschaftskrise so viele Insulaner einlullte. (Alexander Fanta/DER STANDARD/Printausgabe/06.07.2010)