Die EU-Außenministerin aus Großbritannien, Ashton, hat der deutschen Kanzlerin Merkel im Auswärtigen Dienst nur einen Platz anzubieten: Fast alle Schlüsselposten gehen an Briten und Franzosen.

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Fast ein halbes Jahr lang war zwischen Europäischem Parlament und der neuen EU-Außenministerin Catherine Ashton über den Aufbau des künftigen gemeinsamen Auswärtigen Dienstes (EAD) der Union gestritten worden. Noch vor wenigen Wochen hatten die Verhandler der Volksvertreter der "Hohen Repräsentantin", wie sie offiziell heißt, damit gedroht, ihr die nötige Zustimmung zum Dienst zu verweigern.

Zu stark sei in den Konzepten der Einfluss der Mitgliedstaaten auf die Behörde mit insgesamt rund 7000 Mitarbeitern und Diplomaten; zu gering das Gewicht der EU-Kommission, die das Gemeinschaftsrecht vertritt, vor allem in der traditionellen Entwicklungshilfe; viel zu schwach das Kontroll- und Mitbestimmungsrecht der Parlamentarier, lautete die Kritik.

Von (fast) alldem war am Mittwoch bei der großen Aussprache über das wohl wichtigste institutionelle Projekt der laufenden Legislaturperiode keine Rede mehr. "Wir haben 80 Prozent von dem erreicht, was wir gefordert haben", fasste der Hauptberichterstatter des Parlaments, der Deutsche Elmar Brok von der europäischen Volkspartei (EVP), den umfassenden Gesetzestext zusammen. "Es ist ein Kompromiss, ich bin zufrieden", war der wohl am häufigsten gesprochene Satz in der außenpolitischen Debatte.

Nur nichtöffentlich wurde vor allem bemängelt, dass Ashton sich zum Werkzeug der außenpolitischen Großmächte Frankreich und Großbritannien habe machen lassen. Beispiel: Von zehn Spitzenposten des EAD werden neun mit Franzosen und Briten besetzt, nur einer mit einem Deutschen. Die kleinen Länder schauen durch die Finger. Ein Abgeordneter sagt: "Es ist eine britisch-französische Veranstaltung."

Sicher schien dennoch: Bei der Abstimmung heute, Donnerstag, wird es eine sehr, sehr breite Zustimmung zum Ashton-Projekt geben. Nicht nur EVP, Sozialdemokraten und Liberale, deren Chef Guy Verhofstadt den EAD-Kompromiss mit ausgehandelt hat, werden mit Ja stimmen. Auch die sonst in der Außenpolitik stets besonders kritischen Grünen signalisieren Zustimmung - nicht zuletzt, weil Ashton feierlich versprochen hat, dass Gleichberechtigung und Menschenrechte in ihrem Dienst "oberste Priorität" haben werden. Somit könnten bis zu 600 von 736 Abgeordneten zustimmen. Dementsprechend erleichtert zeigte sich bereits die neue EU-Außenministerin, die den Abgeordneten Rosen streute, weil "mein ursprünglicher Vorschlag von ihnen weitestgehend verbessert wurde". Sie versprach einen "intensiven Informationsaustausch" mit den Parlamentariern. Diese haben tatsächlich wichtige Punkte gegenüber den Mitgliedstaaten (die bisher laut EU-Vertrag die gemeinsame Außenpolitik fast im Alleingang dominierten) erkämpft.

Wie berichtet, wird es beim EAD nicht, wie Frankreich wollte, einen zentralisierten Apparat mit einem einzigen Generalsekretär an der Spitze geben (der mit dem Franzosen Pierre Viemont, dzt. Botschafter in Washington, besetzt wird), sondern ein Vorstandsmodell: Die Chefin ist Ashton, ihr "Exekutivsekretär" wird zwei Stellvertreter und einen eigenen Budgetdirektor haben. Und: Als "politische" Vertreter der vielreisenden Ashton werden dem Parlament die Außenminister des jeweiligen EU-Vorsitzes Rede und Antwort stehen - und nicht die beamteten Direktoren.

Aufwertung der Türkei

Der deutsche Außenminister Guido Westerwelle hat sich unterdessen für eine Aufwertung der Beziehungen zur Türkei ausgesprochen, eine Abkehr von der "privilegierten Partnerschaft", die Teile von CDU und CSU anstelle eines EU-Beitritts wollen. Die globalen Kräfteverhältnisse würden sich verschieben, die Türkei habe sich eine einflussreiche Stellung in der Welt erobert, sagte Westerwelle in einem Zeit-Interview. (Thomas Mayer aus Straßburg/DER STANDARD, Printausgabe, 8.7.2010)