Vizeminister Fernando Rojas: Gegen den EU-Druck.

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 Die "Frauen in Weiß" , meist Mütter und Ehefrauen inhaftierter Dissidenten, demonstrieren in Havanna regelmäßig gegen Haft und Haftbedingungen der politischen Gefangenen.

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 Fernando Rojas, Vizekulturminister Kubas, über die EU-Kritik zur Lage der Menschenrechte, den Spielraum kritischer Blogger und das Zwischenresultat Obamas. Mit ihm sprach Erhard Stackl.

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STANDARD: Spaniens Außenminister Miguel Ángel Moratinos war in Havanna, um die nicht guten Beziehungen Kubas zur EU zu verbessern. Sehen Sie dafür Chancen?

Rojas: Kuba hat den besten Willen, dass diese Beziehungen optimal werden. Essenziell ist, dass man unsere Souveränität und Legalität respektiert und nicht versucht, uns unter Druck zu setzen. Es geht um gegenseitigen Respekt.

STANDARD: Zur EU-Kritik an den politischen Häftlingen, speziell des im Hungerstreik befindlichen Oppositionellen Guillermo Fariñas, haben Sie hier in Wien gesagt, von der internationalen Gemeinschaft werde "mit zweierlei Maß gemessen" . Wie meinen Sie das?

Rojas: Gegenwärtig befinden sich in mehr als 20 Ländern Menschen im Hungerstreik. Das ist keiner Zeitung eine Nachricht wert. Ein Mensch, der das aus freien Stücken und aus eigener Entscheidung macht, erhält die größte Aufmerksamkeit in allen Medien. Hier wird zweierlei Maß angelegt.

STANDARD: Vor dem Uno-Menschenrechtsrat hat Ihr Außenminister Bruno Rodríguez das Kuba von heute als positives Beispiel im Vergleich zur Ausbeutung und der Unterdrückung in der Kolonialzeit bezeichnet. Sie reden aber von jetzt?

Rojas: Ja. Uns betrachtet man durch eine Lupe. Wie viele "außergerichtlichen Hinrichtungen" (Morde durch Todesschwadronen, Anm.) gibt es auf der Welt? Wie viele Journalisten sind abgängig und tauchen als Tote wieder auf? Wie viele Landarbeiter verschwinden in Massengräbern? In welcher großen Zeitung steht darüber etwas? Kuba ist dagegen dauernd in den Schlagzeilen.

STANDARD: Der populäre Sänger Silvio Rodríguez und andere kubanische Künstler, die loyal zur Revolution sind, haben sich nun laut Medienberichten auch kritisch über die Entwicklung im Land geäußert.

Rojas: Die revolutionären kubanischen Künstler waren gegenüber der Revolution immer kritisch. Die Medien haben es nur erst jetzt bemerkt. Wir, als staatliche Organe für die Kultur, sind sehr interessiert daran, dass die Künstler kritisch sind.

STANDARD: Erstreckt sich das auch auf die kritischen Internetblogger?

Rojas: So etwas gibt es überall auf der Welt. Das kann man ja nicht limitieren.

STANDARD: Sie haben keine Probleme mit Bloggern? Denen wirft man doch Gesetzesübertretungen vor?

Rojas: Wir haben im Kulturbereich das Netz "cubarte" , mit mehr als 20.000 Nutzern. Am häufigsten werden dort Kritiken verfasst. Aber wenn Sie eine bestimmte Person meinen ...

STANDARD: Die bekannt kritische Bloggerin Yoani Sánchez.

Rojas: Sie bezieht erhebliche finanzielle Mittel von anderen Ländern. Sie nutzt einen Server, der in Deutschland steht und der 60-mal mehr Bandbreite hat als alle Computernetze in Kuba und der Tochter einer US-Firma gehört.

STANDARD: Es gab Hoffnung, dass die USA unter Präsident Obama ihre Haltung zu Kuba ändern werden. Hat sich etwas geändert?

Rojas: Die Wirtschaftskrise hat wahrscheinlich viele Pläne zerstört. In der Essenz sind sie positiv, aber die Regierung steht auch unter Druck der extremen Rechten. Verwirklicht wurden bisher nur die Erleichterungen für Reisen von US-Kubanern nach Kuba, die Wirtschaftsblockade ist weiter aufrecht. Und die Zahl der Kuba-Reisen von US-Kubanern ist noch weit unter dem Niveau zu Zeiten der demokratischen US-Präsidenten Clinton und Carter.  (DER STANDARD, Printausgabe, 8.7.2010)