Wien - Wer hierzulande ein Haus oder eine Wohnung erbt, steht unter doppeltem Artenschutz. Die Erbschaftsteuer wurde 2008 abgeschafft, die Grundsteuer wird anhand günstiger Uraltwerte berechnet, die nichts mit den Marktpreisen zu tun haben. Weder darf der Häuslbauer belastet, noch den kleinen Leuten die Chance auf vererbten Wohlstand geraubt werden, lautet das verbreitete Credo.

Wen schützt diese Politik wirklich? Profitiert die breite Masse von vererbten Immobilien oder eine schmale Oberschicht? Eine neue Studie der Österreichischen Nationalbank gibt Antworten, die für die künftige Steuerpolitik, die stärker auf Vermögen zugreifen könnte, relevant sind.

Kein Massenphänomen

Auf ein Massenphänomen sind die Forscher, die sich auf eine Umfrage unter 2000 privaten Haushalten stützen, nicht gestoßen. 80 Prozent der Haushalte haben keine Immobilien geerbt, und auch innerhalb der Minderheit der Glücklichen sind die Hinterlassenschaften sehr ungleich verteilt. Nimmt man einen Werterhalt analog zum Verbraucherpreisindex an, dann haben die obersten zehn Prozent der Erben beinahe genauso viel geerbt wie die restlichen 90 Prozent zusammen. "Zwei Prozent aller Haushalte vereinen damit fast die Hälfte des gesamten Erbschaftsvolumens auf sich", sagt Martin Schürz, der die Studie gemeinsam mit Pirmin Fessler und Peter Mooslechner verfasst hat.

Der durchschnittliche Wert eines Immobilienerbes beträgt zwischen 219.000 und 294.000 Euro - je nachdem, ob man den Wertanstieg mit moderaten zwei Prozent im Jahr oder in der Höhe der Inflationsrate annimmt. Erst im Top-Zehntel gehen die Nachlässe in die Millionen. Daraus lässt sich schließen, dass diverse Konzepte für ein Erbschaftsteuer-Comeback einen großen Teil der Empfänger ungeschoren ließen. Die Arbeiterkammer etwa würde im Familienkreis einen Freibetrag von 300.000 Euro vorsehen - gemäß den OeNB-Zahlen wären rund 70 Prozent der Erben bzw. 94 Prozent aller Haushalte aus dem Schneider.

Je reicher, desto mehr Erbe

Insgesamt geht es um stolze Summen. Das private Immobilienvermögen beträgt laut Nationalbank 880 Milliarden Euro, zwischen 17 und 23 Prozent wurden vererbt. Pro Jahr mache das Erbschaftsaufkommen aus Immobilien etwa drei Milliarden aus, schätzen die Experten, die sich der gleichen demoskopischen Methoden bedienen, wie nun die europäische Zentralbank für ihre europaweite Vermögenserhebung.

Starthilfe sind Erbschaften eher nicht: Von den 18- bis 29-Jährigen kommen nur fünf Prozent in den Genuss, am größten ist die Chance im Alter von 50 bis 69 Jahren (26 Prozent). Bauern erben mit einer Quote von 58 Prozent besonders häufig. Bei Freiberuflern und Beamten profitiert jeweils ein Drittel, spärlich sind Erben unter den Arbeitern (14 Prozent).

Erben biete weniger Betuchten zwar eine (kleine) Chance, Immobilienbesitz anzuhäufen, heißt es in der Studie, doch generell gelte: Je höher Nettohaushaltseinkommen und Vermögen, desto zahlreicher die Hinterlassenschaften. "Erben entspricht dem Matthäusprinzip", urteilt Schürz: "Wer hat, dem wird gegeben." (Gerald John, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 30.6.2010)