Der tschechische Inlandsgeheimdienst BIS hat in Prag für einiges Aufsehen gesorgt. Grund ist ein Bericht über die Tätigkeit der russischen Geheimdienste in Tschechien, der vor wenigen Tagen veröffentlicht wurde und seitdem die öffentliche Diskussion anheizt. Der Befund des BIS: Die russischen Dienste haben ihre Aktivitäten innerhalb des vergangenen Jahres stark ausgeweitet.

Dem Dokument zufolge konzentrieren sich die Agenten aus Moskau insbesondere darauf, Kontakte zu Studenten und Wissenschaftern zu knüpfen. Es gebe aber auch verstärkt Versuche, in strategische Industriezweige vorzudringen, wie etwa in die Atom- und Verteidigungsindustrie.

Zugute kommt den Russen dabei das wiedererwachte Interesse an der russischen Sprache, die wegen des Pflichtunterrichts zu Zeiten des Kommunismus lange Zeit verpönt war. Es wird daher angenommen, dass sich die Tätigkeit der Geheimdienste oft hinter Russisch-Sprachkursen oder Projekten der wissenschaftlichen Zusammenarbeit versteckt.

Der Umfang der Kooperationen übersteigt laut BIS den Rahmen einer gewöhnlichen Eigenwerbung und kulturellen Diplomatie, so wie sie auch andere Länder praktizieren. Koordiniert werden sollen diese Aktivitäten von Geheimdienstangehörigen, die an der russischen Botschaft in Prag arbeiten.

Zwei Drittel sind Agenten

Medienberichten zufolge sind bei den russischen Vertretungen in Prag, Brünn und Karlsbad ungefähr 200 russische Staatsbürger beschäftigt. Die Zahl derer, die für den Geheimdienst arbeiten, wird auf fast zwei Drittel geschätzt.

Besonders im Visier der russischen Geheimdienste soll der Energiesektor stehen. Russische Firmen versuchen Einfluss auf tschechische Unternehmen zu erhalten, die sich zum Beispiel am Ausbau des AKW Temelin und der geplanten Modernisierung des zweiten Atomkraftwerks in Dukovany beteiligen wollen.

Der BIS stellte erstmals vor mehr als zwei Jahren ein verstärktes Interesse der russischen Geheimdienste an Tschechien fest. Dies wurde damals in Verbindung mit den Plänen Washingtons gebracht, einen Teil des Raketenabwehrsystems in Tschechien zu stationieren. Doch auch nachdem die neue US-Regierung die Pläne auf Eis legte, tat dies der Tätigkeit russischer Dienste in Tschechien keinen Abbruch.

Im Sommer vergangenen Jahres hatten die tschechischen Behörden einen Korrespondenten der russischen Zeitschrift Parlamentnaja Gazeta wegen Spionageverdachts des Landes verwiesen. Einige Monate später wurde dem Korrespondenten des tschechischen öffentlich-rechtlichen Fernsehens in Moskau ohne Angabe von Gründen eine Visumsverlängerung verweigert. (Robert Schuster aus Prag/DER STANDARD, Printausgabe, 30.6.2010)