Bis zuletzt ein leidenschaftlicher Sammler und profunder Kunstkenner: der österreichische Museumsdirektor Rudolf Leopold.

Reaktionen

"Mit Rudolf Leopold ist ein Mann von uns gegangen, der uns die Wiener Moderne nähergebracht und ans Herz gelegt hat. Seine Leidenschaft für Kunst und sein unbeirrbares Auge verschafften uns eine Privatsammlung, die heute jedem zugänglich ist." (Bundeskanzler Werner Faymann)

"Eine große Persönlichkeit der Kunstwelt, (...), ein im besten Sinn Besessener." (Kunstminsterin Claudia Schmied)

"Er hat sich stets mit größter Energie und Leidenschaft für seine Sammlung, sein Museum und die Durchsetzung seiner Interessen eingesetzt." (Wolfgang Waldner, Direktor Museumsquartier)

 

 

Foto: Heribert Corn

Wien - Die Absage zum geplanten Geburtstagsfest am 2. März kam überraschend und nur wenige Tage vorher: Rudolf Leopold sei bei einem Museumsbesuch in Italien gestürzt und habe sich den Oberschenkel gebrochen. Am 16. Juni holte der Sammler die Feier in "seinem" Museum nach, schenkte sich und seinen Gästen zum 85. Geburtstag eine berückend schön gestaltete, multimediale Ausstellung mit Objekten, Zeichnungen und Entwürfen des Jugendstil-Genies Joseph Maria Olbrich: die bisher größte Retrospektive von einem der Lieblingskünstler Leopolds.

Ein zerbrechlicher alter Mann saß an diesem Feierabend inmitten der Gäste, still. Konnte allerdings auch noch ganz schön wütend werden, wenn er sich falsch verstanden fühlte und an Artikel erinnerte, die ihn gekränkt hatten. Rudolf Leopolds Lebenswerk war in den letzten Jahren vom Streit um Restitution überschattet, zäh wehrte er sich gegen die Rückgabe von Bildern, war zutiefst empört darüber, dass ihm mangelnde Sensibilität gegenüber den (zumeist jüdischen) Erben vorgehalten und Antisemitismus attestiert wurde, und glaubte bis zuletzt daran, die strittigen Werke mit Geld ablösen zu können (siehe unten stehenden Artikel).

Rudolf Leopold, zweifellos bedeutendster Kunstsammler Österreichs, Stifter, Museumsdirektor auf Lebenszeit, als Schiele-Spezialist weltweit gleichermaßen geachtet wie gefürchtet, umstritten wie verehrt.

Ein Bessener, der schon mit neun Jahren zu sammeln begann: Damals allerdings waren es noch Schmetterlinge, deren Farbe und Form ihn faszinierten. Ein besonderes Prachtexemplar stiftete er der Schausammlung seiner Schule. Später sammelte er Briefmarken, doch bald langweilte ihn, dass bei Marken Seltenheit und nicht Schönheit wertbestimmend sind, und konzentrierte seine Sammelleidenschaft schließlich ab 1947 auf Bilder und Kunstobjekte. Sein erster Kunstankauf war ein Gemälde Friedrich Gauermanns, den Kaufpreis finanzierte Leopold, der am 1. März 1925 in Wien geboren worden war und neben Medizin auch Kunstgeschichtestudium begann, mit Nachhilfestunden.

Wichtigste Schielesammlung

Finanzielle Balanceakte, die Leopold bis zuletzt als selbstverständlich ansah. Ob seine Sammlung je vollständig sei, wurde er einmal gefragt. Er verneinte und fügte hinzu, er würde erst gezwungenermaßen zu sammeln aufhören, wenn kein Geld mehr da wäre.

Abertausende Kunstwerke erwarb Rudolf Leopold im Laufe seines Lebens, zunächst Malerei des 19. Jahrhunderts wie etwa Jakob Schindler und Ferdinand Waldmüller, später Klimt, Schiele, Gerstl, Kokoschka. Eines seiner ersten Schiele-Bilder, so erzählte der Augenarzt Rudolf Leopold später gern, habe er in den 1950er-Jahren um unglaubliche 150 Schilling (umgerechnet rund elf Euro) erworben. Damals stellte Leopold für das Amsterdamer Stedelijk Museum eine Ausstellung mit Schiele-Bildern zusammen. Die große internationale Resonanz brachte auch eine Trendwende in der internationalen Rezeption des Künstlers.

Heute umfasst die Sammlung 44 Ölgemälde und 180 Blätter Schieles. Meist saß er selber in Auktionen oder bot per Mobiltelefon.Nicht einmal trickste er Mitsteigerer aus und ließ die Preise in die Höhe steigen. Auch Kunst vonZeitgenossen erwarb er, etwa Werkblöcke des Ex-Kommunarden Otto Muehl, dessen Bilder zur Zeit in einer umstrittenen Ausstellung im Leopold Museum zu sehen sind. Aber, sagte er einmal, derzeit werde viel Scharlatanerie mit Kunst betrieben: "Etwa 80 Prozent von dem, was einem jetzt als Kunst einzureden versucht wird, ist in Wirklichkeit keine echte Kunst."

Quotenhit Leopold Museum

Viele Jahre lebte die Familie Leopold in ihrem Haus in Grinzing mit und zwischen den Bildern, ehe die monumentale Sammlung in eine, gemeinsam mit der Republik Österreich gegründete Stiftung einging. Damals, 1994, wurde der Wert der Sammlung bereits auf 575 Millionen Euro geschätzt; 160 Millionen Euro mussten die Republik und die Österreichische Nationalbank bis 2007 in Ratenzahlungen überweisen. Neben dem Kaufpreis verpflichtete sich der Staat, das Leopold Museum zu errichten. Seit neun Jahren wird die Sammlung im weißen Kubus im Museumsquartier gezeigt, es ist mit 300.000 Besuchern ein Quotenhit im Museumsquartier. Ungeklärt ist, wer neuer Direktor wird. Schon am Mittwoch tagt der Stiftungsvorstand. (Andrea Schurian/DER STANDARD, Printausgabe, 30. 6. 2010)