Der Staatspreisträger für Literatur ist im Alter von 80 Jahren verstorben.

 

Hinweis/Radio-Tipp:
In Erinnerung an den österreichischen Dichter Andreas Okopenko ändert Ö1 sein Programm. So wird Okopenko am Montag im Rahmen der "Tonspuren" um 21 Uhr das von Gerhard Moser und Robert Weichinger gestaltete Porträt "In Wahrheit ist es so" gewidmet. In der Nacht von Freitag, 2. Juli, auf Samstag sind um 00.08 Uhr im Rahmen der Reihe "Nachtbildern" Spontangedichte von Okopenko unter dem Titel "Streichelchaos" zu hören.

 

Foto: Robert Newald

Wien -Mit seinem "Lexikon-Roman" schrieb Andreas Okopenko zukunftsweisende Literaturgeschichte, mit seiner Lyrik ging er stets eigene, eigenwillige Wege: Gestern, Sonntag, Vormittag ist der bedeutende österreichische Dichter und Staatspreisträger 80-jährig gestorben. Einer breiten Leserschicht blieb seine Arbeit, die parallel zur Konkreten Poesie und zur "Wiener Gruppe" eine eigenständige sprachexperimentelle Literatur entwarf, zwar verborgen. Als heimischer Vorreiter der Netzliteratur, als öffentlich Bescheidener und schreibend Radikaler und als Lyriker "dem Wesen nach" ist Okopenko allerdings eine Sonderstellung in der österreichischen Gegenwartsliteratur sicher.

Biografisches

Andreas Okopenko wurde am 15. März 1930 in Kosice (Kaschau) in der Ostslowakei als Sohn eines Arztes und Diplomaten geboren und übersiedelte 1939 mit seiner Familie nach Wien. Nach einem krankheitshalber abgebrochenen Chemie-Studium trat er 1950 einen "Brotberuf" als Angestellter in einem oberösterreichischen Papierkonzern an, wo er 1954 zum Leiter der Betriebsabrechnung aufstieg. Bereits sein erster Prosatext, "Die Belege des Michael Cetus" (1967), erregte einige Aufmerksamkeit in der heimischen Literaturszene und erlaubte ihm in der Folge, seinen Posten in der Papierindustrie an den Nagel zu hängen und fortan als freier Schriftsteller in Wien zu leben.

"Ich bin nicht nur meinen Anfängen, sondern auch meinem Wesen nach Lyriker", betonte Okopenko und auch sein meist beachtetes Werk, das "Lexikon einer sentimentalen Reise zum Exporteurtreffen in Druden" ist unter diesem Aspekt zu verstehen: Weithin nur "Lexikon-Roman" genannt ist der Text aus 1970 enzyklopädisch in Stichworten von A bis Z aufgebaut und mit Querverweisen versehen. Als eine der ersten Vorwegnahmen von Netzliteratur und Hypertext wird hier der Leser dazu aufgefordert, sich einen individuellen Roman zu basteln. Seit 1998 gibt es den Avantgarde-Klassiker tatsächlich als veränderbare CD-Rom-Version, an der Okopenko auch mitarbeitete.

Distanz zur Wiener Gruppe

Mit lyrischen Arbeiten war Okopenko schon als Gymnasiast hervorgetreten. Seine ersten Gedichte veröffentlichte er 1949 in der Literaturzeitschrift "Neue Wege". In dieser Zeit begründete der Autor zusammen mit H.C. Artmann die literarische Sektion "der keller" im Art Club, der wichtigsten Wiener Künstlervereinigung der frühen 50er Jahre. Zwischen 1951 und 1953 gab Okopenko die Zeitschrift "publikationen einer wiener gruppe junger autoren" heraus, an der unter anderem Artmann, Friederike Mayröcker und Konrad Bayer mitarbeiteten.

Der "Wiener Gruppe" stand er allerdings distanziert gegenüber, wollte er doch selbst kein "konkreter Poet" sein. Er interessierte er sich für Spontan- und "Nonsense"-Dichtung, die er für den deutschsprachigen Raum erschließen wollte und verband in seiner Lyrik auf einzigartige Weise naturwissenschaftliche Distanz mit individueller Empfindungswelt. 1957 erschien Okopenkos Gedichtband "Grüner November", dem u.a. die Bände "Seltsame Tage" (1963), "Warum sind die Latrinen so traurig?" (1969), "Orte wechselnden Unbehagens" (1971), "Der Akazienfresser" (1974), "Lockergedichte. Ein Beitrag zur Spontanpoesie" (1983), "Schwänzellieder" (1991), "Immer wenn ich heftig regne. Lockergedichte" (1992) und "Streichelchaos" (2004) folgten.

Zu seinem vielseitigen Schaffen zählen Hörspiele, "Szenische Begebenheiten" und Drehbücher ebenso wie Songtexte für "The Worried Men Skiffle Group" und Humanic-Werbetexte. Zuletzt erschien im Klever Verlag "Erinnerung an die Hoffnung. Gesammelte autobiographische Aufsätze" (2008). Im Jahr 1998 wurde Okopenko mit dem Großen Österreichischen Staatspreis für Literatur ausgezeichnet, 2002 folgte der Georg-Trakl-Preis für Lyrik. (APA)