Klagenfurt - "Ich bin nicht das Lamm auf der Schlachtbank." - So begründet Peter Wawerzinek, warum er sich am Samstag beim Wettlesen um den 34. Ingeborg-Bachmann-Preis in Klagenfurt in die Jurydebatte eingeschaltet hat. Wenn er attackiert werde, wehre er sich, fügt er hinzu. Das war nicht immer so, wie aus seinem Roman "Rabenliebe" hervorgeht. Denn der heute 55-Jährige wurde als Kind von seinen Eltern verlassen und verbrachte zehn Jahre in Waisenhäusern. Dieses Thema arbeitete er in seinem Buch auf, "nach jahrzehntelangem Kampf mit mir selbst".

Peter Wawerzinek wurde als Peter Runkel am 28. September 1954 in Rostock geboren. Seine Eltern flüchteten in den Westen und ließen das Kind zurück. Die verlorenen Eltern belasteten sein Leben, nach der Wende suchte und fand er seine Mutter - es blieb bei einer einzigen Begegnung. Er hat beschlossen, darüber zu schreiben, wie es war, als Vierjähriger im Heim zu landen, vermessen und gewogen zu werden wie eine Ware. Er entblöße sich dabei, klar, meint der Autor, aber: "Jetzt ist eine riesige Last weg."

Parodien auf DDR-Literatur

Nach zehn Jahren in staatlichen Kinderheimen wurde er adoptiert und wuchs an der Ostsee auf. Nach der Schule machte er eine Lehre als Textilzeichner, absolvierte den Wehrdienst und zog 1978 nach Ostberlin. Das Studium an der Kunsthochschule brach er nach zwei Jahren ab und jobbte, um Geld zu verdienen. Parallel dazu machte er sich in der Ostberliner Szene einen Namen als Performance-Künstler und Stegreifpoet.

Bald nach der Wende veröffentlichte er eine Serie von Parodien auf die DDR-Literatur, 1991 wurde er zum Bachmann-Preis eingeladen und gewann ein Stipendium. Damals sei er als "Ossi" hier gewesen und sei von den anderen auch als solcher wahrgenommen worden. "Die wollten den Ossi sehen." Seine Teilnahme am Wettbewerb sei eher eine Art Spaß gewesen damals, er sei auch ein "selbstverliebter Autor" gewesen. Heute sei das anders, sei ihm bewusst, "welcher Apparat hinter so einem Buch steckt".

Wawerzinek ist gelassen und unprätentiös, aber trotzdem durchaus selbstbewusst. "Wenn es der zweite Preis wird, ist es mir auch recht", meinte er am Tag vor der Jury-Entscheidung auf die Frage, wie er denn die Favoritenrolle empfinde. Das Schreiben sei für ihn sehr wichtig, betont er. Allerdings lebte er auch einige Jahre lang in Schleswig-Holstein und schrieb überhaupt nicht. In seinen Werken kommt immer wieder die DDR zum Vorschein, dabei vor allem seine engere Heimat Mecklenburg-Vorpommern. Er veröffentlicht in erster Linie Prosa, schreibt aber auch Hörspiele und ist journalistisch tätig. Sind seine früheren Werke noch von einer gewissen Atemlosigkeit geprägt, ist sein neuer Roman "Rabenliebe" in sehr klarer, teilweise poetischer Sprache gehalten, arbeitet er mit Brüchen und Einschüben von Kinderreimen, um sich an sein kindliches Ich anzunähern. (APA)