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Noch setzen die USA ein hohes Kopfgeld auf Sirajuddin Haqqani aus. Demnächst könnte er – auf Drängen Pakistans – ein wichtiger Partner für eine politische Lösung mit den Taliban in Afghanistan werden.

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Ihr Alliierter Pakistan versucht indessen das bisher Undenkbare: eine politische Lösung mit den Taliban.

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Kabul/Wien - Pakistan, ein Nachbar Afghanistans und wichtigster Verbündeter der USA in der Region, ändert seine Strategie im Kampf gegen die Taliban. Die Regierung des Atomstaats will ein Bündnis mit dem Warlord Sirajuddin Haqqani eingehen, der bislang auf der Seite der Taliban gegen die US-Besetzung kämpfte.

Pakistan benütze die Krise des US-Militärengagements am Hindukusch, um eine politische Lösung mit den Taliban zu erreichen, berichtete die New York Times am Donnerstag. Damit weite Islamabad seinen Einfluss aus, unterminiere jedoch die strategischen Interessen der USA, werden US-Offizielle zitiert.

Das Terrornetzwerk von Haqqani operiere bereits bisher ungehindert innerhalb Pakistans, von wo aus es indische Ziele angreife, heißt es in dem Bericht. Die Pakistaner hätten Haqqani bislang als Joker in der Reserve gehalten, um den Ausgang der Auseinandersetzung mit den Taliban beeinflussen zu können.

Der Strategiewechsel der pakistanischen Regierung könnte eine Annäherung mit Kabul bedeuten. Bereits im vergangenen Monat trat der afghanische Geheimdienstchef Amrullah Saleh und Innenminister Hanif Atmar zurück, die als Hardliner im Kampf gegen die Taliban galten. Pakistans Armeechef hat Kabul laut afghanischen Offiziellen nun angeboten, einen Deal mit dem Anführer der afghanischen Taliban, Mullah Muhammed Omar, auszuhandeln. Die Pakistaner hätten laut Berichten schon im März einen 15-Punkte-Plan für Friedensverhandlungen ins Spiel gebracht.

Die US-Administration antwortet derzeit noch mit Unglauben auf das Angebot Pakistans. Eine Kollaboration Haqqanis mit der Regierung in Kabul sei "schwer vorstellbar" , sagte der US-Sondergesandte Richard Holbrooke am vergangenen Wochenende bei einem Besuch in Islamabad. Doch: "Wer weiß?"

USA - "Exit ohne Strategie"

Trotz Abberufung des Militärkommandeurs Stanley McCrystal am Mittwoch wollen die USA ihre Afghanistan-Strategie beibehalten und im kommenden Jahr sogar mit dem Truppenabzug beginnen. Diesen hatte US-Präsident Barack Obama zu Beginn seiner Amtszeit angekündigt, im letzten Jahr hatte sich die Sicherheitslage in der Region aber verschlechtert.

"Wir werden im Juli 2011 nicht plötzlich alle unsere Truppen abziehen, und auch unsere Verbündeten werden das nicht tun" , beruhigte Obama am Donnerstag. "Wir beginnen nun eine Übergangsphase, die der afghanischen Regierung erlaubt, mehr Verantwortung zu übernehmen." Ob diese die bisherige US-Strategie - militärische Konfrontation mit den Taliban - durchhält, ist fraglich.

Der gegenwärtige Einbruch der Unterstützung für den Afghanistan-Einsatz in der öffentlichen Meinung führe zu einer "Exit-Strategie mit der Betonung auf Exit, nicht auf Strategie" , schrieb Ex-Außenminister Henry Kissinger in der Washington Post. General David Petraeus, der neue US-Militärchef in Afghanistan, gilt eher als gewiefter Politiker denn als Stratege. Sein Name, der vor allem mit der relativen Befriedung des Irak verbunden wird, könnte alsbald für einen planlosen Rückzug stehen. (fan/DER STANDARD, Printausgabe, 26.6.2010)