Gesichter Europas: Othmar Karas im Gespräch mit Eric Frey (Standard) über das Entwicklungs-potenzial der Europäischen Union, ihre Stärken und Schwächen.

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"Wir müssen die Vorteile Europas sichtbarer machen" , sagt Othmar Karas, seit 1999 ÖVP-Abgeordneter des europäischen Parlaments, im Gespräch mit Eric Frey (der Standard) anlässlich der Veranstaltungsreihe "Faces of Europe" an der Fachhochschule des Bfi Wien. Seit Jahren fordere er daher auch eine Kennzeichnungspflicht für alle von der EU geförderten Projekte.

Neben einer gemeinsamen Wirtschafts- und Außenpolitik gelte es auch eine gemeinsame Bildungspolitik zu entwickeln. "Derzeit ist Bildung zu 100 Prozent eine nationale Angelegenheit" , so der Parlamentarier. Die zentrale Frage sei, in welchem Bereich die EU standortführend in der Welt sein möchte. Die Stärken der Mitgliedstaaten liegen im Bereich der Wissenschaft und Forschung. "Wenn wir international wettbewerbsfähig bleiben möchten, müssen wir europaweit die Synergien bündeln, dafür brauchen wir auch eine europäische Marke "made in Europe" , so Karas.

Einheitliche Standards

Bildung sei eine wesentliche Voraussetzung für die Qualität des Binnenmarkts, so Karas. Daher fordere er auch Bildung - neben Personen, Waren, Dienstleistungen und Kapital - als fünfte Freiheit der Europäischen Union einzuführen. Daher sollten, bei allen nationalen Verbesserungspotenzialen, auch die Diskussion rund um den Bologna-Prozess, das Gesamtkonzept und die Notwendigkeit einer Vereinheitlichung des Bildungssystems nicht aus den Augen verloren werden.

Europapolitik heiße ja nicht: entweder EU oder nationale Interessen. Vielmehr gehe es um gemeinsames und eigenverantwortliches Handeln. Leider werde das von den nationalen Politikern selten so gesehen, ergänzt er. "Außerhalb von Europa gibt es keine Europäische Union" , kritisiert Karas und nennt die starken nationalen Interessen als wesentlichen Grund für die langsame Weiterentwicklung der Union. Die Zukunft der Europäischen Union sieht er als "Vereinigte Staaten Europas" ; dafür bedürfe es einer Wirtschafts- und Politikunion, sagt Karas. "Dafür müssen wir eine bessere Balance bei der Budget-, Steuer-, Bildungs- und Sozialpolitik finden" , ergänzt er.

Leadership und politischer Wille seien dafür gefragt, und es brauche transparente Koordination, Kooperation und Kontrolle. "Wer global eine Chance will, muss vereint auftreten" , lautet sein Appell. Defizite sieht er auch im Bereich des Krisenmanagements der EU. "Wenn der Bundeskanzler sagt, die Krise sei vorbei, dann ist es schwierig, in der Union weitere Maßnahmen zu fordern." (Gudrun Ostermann/DER STANDARD, Printausgabe, 26./27.6.2010)