Es wäre ein rechtliches Paradoxon: Da lassen sich zwei scheiden, weil sie ihre Streitigkeiten nicht mehr bewältigen können, um danach wieder gemeinsam über weit wichtigere Dinge verhandeln zu müssen als darüber, wer welches Möbelstück in die Ehe eingebracht hat oder wer wen zuerst belogen und betrogen hat. Wenn die automatische gemeinsame Obsorge kommt, geht es um das Kind - wo es wohnt, wo es zur Schule geht, welches Spital es im medizinischen Ernstfall aufsucht.

Aber um das Kind und dessen Wohl geht es ja angeblich allen: den Väterrechtlern, der Justizministerin, den Familienrichtern. Sie alle befürworten eine automatische rechtliche Gleichstellung beider Elternteile - nicht nur im Scheidungsfall, sondern auch bei unverheirateten Paaren.

Wo ihre Argumentation hinkt: Die Kinder jener (Ex-)Paare, die angeben, mit ihrer Entscheidung für die gemeinsame Obsorge zufrieden zu sein, haben eine solide Basis - Elternteile, die miteinander reden und ihre Konflikte positiv lösen können, die ein Gespür haben für das, was ihre Kinder brauchen, und die diese Kinderinteressen zur obersten Maxime ihres Handelns erklären. Kurz: In funktionierenden Elternbeziehungen, da funktioniert es ohnehin - ob mit gemeinsamer Obsorge oder ohne. Alle anderen Kinder laufen Gefahr, mit dem Automatismus zum Spielball scheidungsverwundeter Eltern zu werden. Da sind die paar Väter, die ihr Kind ungerechtfertigterweise vorenthalten bekommen, zwar eine schlimme Sache, aber eher verkraftbar. (Karin Moser, DER STANDARD, Printausgabe, 25.6.2010)