Wien - Österreichs Regierungsmitglieder hängen anderen gerne Rucksäcke um. Oft ausländischen Gästen als Geschenk, mitunter aber auch einander, wie Josef Pröll und Werner Faymann an dessen 50. Geburtstag im Mai vorexerzierten. Doch nun gilt es eine Last gemeinsam zu schultern: Die Koalitionäre schleppen einen dicken Rucksack an ungelösten Problemen durch den Sommer, der im Herbst zwangsläufig erleichtert werden muss.

Schwerster Brocken ist das Budgetdefizit, das die Regierung von 4,7 auf vier Prozent des Bruttoinlandsproduktes senken will. Einsparungen sollen 1,6 Milliarden bringen, Steuererhöhungen 1,1 Milliarden. Wie und wo das Geld konkret aufgetrieben werden soll, wird sämtliche Ministerien auf Trab halten. Laut Verfassung müsste die Regierung das Budget bis 22. Oktober dem Parlament vorlegen, doch das Finanzministerium hält den Termin für unhaltbar: "So viel Realismus muss erlaubt sein." In Regierungskreisen wird davon ausgegangen, dass vor der Wiener Wahl am 10. Oktober nicht einmal ernsthaft verhandelt wird. Sonst könnten ja Indiskretionen den Wahlkampf stören.

Auch bei der Verwaltungsreform legt sich die Koalition auf keinen Stichtag fest. Anfang Juli diskutiert die Reformgruppe noch einen Problemaufriss zum Förderwesen - wie es weitergeht, wird erst dann beschlossen.

Unterschiedliche Eile gibt es bei der Hacklerregelung. Die ÖVP würde am liebsten schon morgen das sofortige Ende der Frühpensionsart besiegeln, die SPÖ sagt: "Wir haben Zeit bis 2013." Derzeit bereden die Sozialpartner den Reformvorschlag des Sozialministeriums, kommen aber wenig voran. Geld kosten würde hingegen ein anderes herbstliches Vorhaben: Ein Konzept, wie die steigenden Kosten für die Pflege gedeckt werden sollen - durch eine Versicherung oder durch Steuergeld.

Das Wirtschaftsministerium möchte aus der beschlossenen Energiestrategie handfeste Maßnahmen formen, von Anreizen für thermische Sanierung bis zur etwaigen Zweckbindung der Wohnbauförderung. Ein Fahrplan, um den Anteil der Alternativenenergie bis 2020 auf 34 Prozent zu steigern, soll noch im Juli vorliegen, im Herbst steht der Beschluss des Klimaschutzgesetzes an.

Das Verkehrsministerium will entscheiden, welche Projekte es aus Geldnot abbläst, das Frauenministerium die Gehältertransparenz durchsetzen. Fixtermin sind die Gehaltsverhandlungen für Beamte, ein neues Dienstrecht ist unwahrscheinlich. Ein Expertenrat soll aus dem nationalen Aktionsplan für Integration konkrete Vorschläge destillieren. In der Schulpolitik halten indessen alle den Atem an, bis die ÖVP ihr Bildungskonzept präsentiert.

Mitgenommen wird eine Reihe von Vorhaben, weil SPÖ und ÖVP über die Details streiten: Vorratsdatenspeicherung, Hausbesorgergesetz, strengere Finanzmarktaufsicht - und vielleicht die Mindestsicherung, falls die Koalition bei der damit junktimierten Transparenzdatenbank bis Montagfrüh auf keinen grünen Zweig kommt. Vorahnung eines ÖVPlers: "Dann gibt es eben beides nicht." (Gerald John, DER STANDARD, Printausgabe, 25.6.2010)