Moskau - Nach dem Mord an dem liberalen russischen Oppositionspolitiker Sergej Juschenkow (52) fahndet die Polizei im Umfeld des Opfers nach einer Täterspur. "Juschenkow könnte das Opfer von finanziellen Streitigkeiten in seiner Partei geworden sein", verlautete am Montag aus Ermittlerkreisen, wie die russische Agentur Interfax meldete.

Mehrere Hundert Menschen hatten dem am Donnerstag ermordeten liberalen Duma-Abgeordneten am Sonntag in Moskau das letzte Geleit gegeben. Bei der Trauerfeier erklärte der Duma-Vorsitzende Gennadi Selesnjow die Aufklärung des Mordes zur Pflicht: "Unsere Pflicht vor Juschenkow und vor der Öffentlichkeit ist es, den Auftraggeber dieses Verbrechens zu finden." Gleichzeitig solle die Aufklärung dieser Gewalttat "der Beginn des Kampfes gegen die Orgie des Banditentums und der Auftragsmörder" in Russland sein. Die Führung von Polizei, Geheimdienst und Staatsanwaltschaft soll am Mittwoch vor dem Parlament Bericht über den Stand der Ermittlungen erstatten. Mithilfe von Augenzeugen gelang es nach Polizeiangaben, ein Phantombild des Mannes zu erstellen, der Juschenkow vor dem Eingang seines Hauses erschossen hatte.

Der Politiker Juschenkow hatte in den vergangenen Monaten mit dem beim Kreml in Ungnade gefallenen Oligarchen Boris Beresowski gebrochen. Beide planten ursprünglich, mit einer neuen Oppositionspartei bei den Parlamentswahlen im Dezember anzutreten. Juschenkow, Ko-vorsitzender der neuen Partei Liberales Russland, ist seit 1994 bereits der zehnte ermordete Duma-Abgeordnete. Im vergangenen Sommer war sein Parteifreund Wladimir Golowljow ebenfalls auf offener Straße erschossen worden. Juschenkow galt als idealistischer Einzelgänger in einem Parlament, dessen Kontakte zur Wirtschaft und zum organisierten Verbrechen fließend sind. (dpa/DER STANDARD, Printausgabe, 22.4.2003)