Dornbirn - Bewusstsein für die Verteilungsproblematik unserer Gesellschaft sei bei Politikern und großen Teilen der Bevölkerung wenig bis gar nicht vorhanden, Initiativen zur Sensibilisierung müssten gestartet werden. Mit dieser Erkenntnis endete die Bundestagung des Berufsverbandes der Sozialarbeiter am Dienstag in Dornbirn. Regionale Netzwerke zur Verhinderung von Armut und Ausgrenzung sollen künftig Problembewusstsein schaffen.

Die Diskussion um die Mindestsicherung sei "Vernebelungstaktik" und zeige deutlich, wie sehr die Politik eine Debatte über die Verteilungsproblematik scheue, sagte Bundesvorsitzende Maria Moritz. Die von der ÖVP geforderte Transparenzdatenbank nannte Moritz "die umgekehrte Socke der Sozialschmarotzerdebatte". Für den Armutsexperten Martin Schenk ist die "neue Mindestsicherung im Kern die alte Sozialhilfe". Statt einer einheitlichen Mindestsicherung gebe es wieder neun unterschiedliche Sozialhilfegesetze.

Mit der Forderung nach einer Mindestsicherung, von der die Betroffenen auch leben können, ausbezahlt 14-mal pro Jahr, lösten die Sozialarbeiter in Vorarlberg eine heftige politische Debatte aus.

Landeshauptmann Herbert Sausgruber ließ über den ORF das Nein der ÖVP ausrichten. Die Einführung der Mindestsicherung ist laut Sausgruber für 1. Jänner realistisch. Vorarlberg wäre aber auch für den Start am 1. September gerüstet. Reinhold Einwallner, Geschäftsführer der SPÖ, wirft der ÖVP "Verzögerungstaktik, die auf dem Rücken der Ärmsten ausgetragen wird", vor. Katharina Wiesflecker, Landtagsabgeordnete der Grünen, nennt die Diskussion um Mindestsicherung und Transparenzdatenbank ein "beschämendes Spiel". Wiesflecker: "Banken werden gerettet, die Mindestsicherung wird verschoben." (Jutta Berger, DER STANDARD, Printausgabe, 24.6.2010)