Von 24. Juni bis 4. Juli strickt die Künstlerin Julia Fuchs am St. Ulrichsplatz im siebten Bezirk an einer Camouflage-Hülle für einen Wohnwagen.

Foto: Julia Fuchs

Die Kunstaktion soll einen Kontrapunkt zu allgegenwärtigen Rückzugstendenzen ins Private bieten.

Foto: Julia Fuchs

Wien - Ein Wohnwagen, Inbegriff privater Idylle selbst in der Fremde, parkt zehn Tage lang am St. Ulrichsplatz in Wien-Neubau. Davor wird Julia Fuchs täglich von 15 bis 20 Uhr zur Stricknadel greifen, um das Gefährt mit einer zusätzlichen Hülle zu versehen. "Mein wunderbares Wohnzimmer" nennt die Künstlerin ihre Aktion, mit der sie von 24. Juni bis 4. Juli auf zunehmende Rückzugstendenzen ins Private aufmerksam machen will.

"Das 'Cocooning' nimmt immer massivere Ausmaße an: Wir schauen DVD statt ins Kino zu gehen, machen Urlaub auf Balkonien, sehen Kochsendungen statt ins Restaurant zu gehen. Anstatt Freunde zu treffen, neue Leute kennenzulernen posten wir unsere Befindlichkeiten auf Facebook, Twitter und Co.", so Fuchs. Mit ihrer "Handarbeit" verweist sie auf die trügerische Sicherheit des Rückzugs vom öffentlichen in den privaten Raum: "Das Öffentliche und das Politische bestimmen unser Leben, auch wenn wir uns abschotten."

Subversive Handarbeit

Dass sich Fuchs bei ihrer Aktion typisch weiblich konnotierter Materialien und Techniken ist kein Zufall: "Frauen wurde der Zugang zu den Universitäten, zu den Kunstschulen und somit zur 'hohen Kunst' lange Zeit verwehrt. Sie wurden vielmehr dazu angehalten, sich im bürgerlichen Wohnzimmer mit Handarbeit zu beschäftigen, um so ihr Bedürfnis nach Entfaltung, Ausdruck und Freiheit zu kanalisieren." Mit dem Einstricken eines "Wohnzimmers" will die Künstlerin auch auf die vergessenen kunsthandwerklichen Leistungen der Frauen vergangener Jahrhunderte bis heute aufmerksam machen und gleichzeitig zeigen, wie sehr uns die Frauenbilder des 18., 19. und 20. Jahrhunderts immer wieder einholen.

"Es kann jederzeit mitgestrickt werden"

Anders als in der Vergangenheit findet die Strickaktion der Künstlerin in der Öffentlichkeit statt. Und: "Es kann jederzeit mitgestrickt werden", so Fuchs gegenüber derStandard.at. Am 4. Juli, dem letzten Tag der Aktion, soll dann eine ganze Gruppe an Menschen gemeinsam ein großes rotes Netz über den Platz stricken: "ein Netzwerk als Kontrapunkt zum 'Cocooning'". (glicka, derStandard.at, 23. Juni 2010)