Einen Tag nach dem Versprechen der weißrussischen Regierung, ihre Gasschuld beim russischen Staatskonzern Gasprom zu begleichen, ist von einem Einlenken keine Spur mehr. Der Streit zwischen Russland und Weißrussland habe sich zu einem Gaskrieg ausgewachsen, sagte der weißrussische Präsident Alexander Lukaschenko am Dienstag.

Das Angebot Weißrusslands, die von Gasprom geforderten 192 Millionen US-Dollar innerhalb von zwei Wochen zu zahlen, lehnte der Gasmonopolist ab. Stattdessen wurden die Lieferungen um 30 Prozent zurückgefahren. Gasprom hat gedroht, die Lieferungen schrittweise um bis zu 85 Prozent zu drosseln, sollte Belarus seine Schulden nicht begleichen.

Präsident Lukaschenko beteuerte, dass er das Geld nicht so schnell auftreiben könne: "Wir können diese Summe nicht aus den Gold- und Währungsreserven nehmen, weil wir den Kurs stürzen müssen. Und die Budgetmittel sind verplant." Der weißrussische Präsident führte außerdem ins Treffen, dass Russland selbst seine Schulden für den Gastransit noch nicht beglichen habe. Unter Berücksichtigung des Monats Mai seien das immerhin 260 Millionen US-Dollar. "Sie haben in einem halben Jahr nicht mal eine Kopeke gezahlt", sagte Lukaschenko.

Gasprom-Sprecher Sergej Kuprijanow erklärte in einer Telefonkonferenz, dass Gasprom die Transitgebühren zwar bezahlen möchte, Weißrussland die Zahlung aber nicht annimmt. Belarus versuche, die Transitgebühren außerhalb des Vertrages zu erhöhen. "Weißrussland hat diese Situation provoziert, um in den Verhandlungen einen Hebel zu haben", sagte Kuprijanow.

Gasprom versicherte erneut, dass die Kunden trotz des Transitstopps durch Weißrussland mit russischemErdgas versorgt werden könnten. Zum einen sind die nachgefragten Volumina im Sommer geringer, außerdem könne Gas aus den Untergrundspeichern entnommen oder über die Ukraine umgeleitet werden.

Die EU warnte zwar vor einer Unterbrechung der Lieferungen. Sorgen, dass es zu einem Engpass wie im Jänner 2009 kommen könnte, seien jedoch unbegründet. Durch den Transitstopp seien maximal 6,5 Prozent der Lieferungen aus Russland nach Europa betroffen.

Gasprom verspricht Lösung

Gasprom-Sprecher Kuprijanow versicherte, dass die Krise nicht lange dauern werde: "Die Sache wird innerhalb der nächsten Tage wenn nicht Stunden gelöst werden." Für Gasprom kommt der Streit mit Weißrussland zu einer ungünstigen Zeit. Gasprom kämpft mit sinkender Nachfrage aus den europäischen Märkten und härtere Konkurrenz durch Flüssiggas und Schiefergas aus den USA. Experten gehen davon aus, dass Belarus einen Gaslieferstopp nicht lange aushalten werde, da es über keine großen Speicher verfüge.

Die Beziehungen zwischen Russland und seinem Nachbarland haben sich seit Jahresanfang kontinuierlich verschlechtert. Minsk blockiert die von Russland initiierte Zollunion, die seit 1. Jänner 2010 formal in Kraft ist. Lukaschenko ist der Ansicht, dass Russland innerhalb der Zollunion verpflichtet sei, Gas zum Inlandspreis zu liefern und die Zölle auf Öl abzuschaffen. (Verena Diethelm aus Moskau, DER STANDARD, Printausgabe, 23.6.2010)