Graphik: Standard

Kinder spielen vor der alten Kirche im Fischerdorf Cidade Velha auf der Insel Santiago. Der Ort des ersten portugiesischen Stützpunkts gilt als eine Touristenattraktion auf der Hauptinsel von Kap Verde.

Foto: Standard/Raabe

Der Strand von Calheta, der Partnerstadt von Deutsch-Wagram. Hier hilft Österreich bei der Gemeindeentwicklung.

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Das Land hat sich wirtschaftlich nach oben gekämpft und sucht nach Perspektiven. Österreich beendet seine Entwicklungshilfe.

Die "Villa Verde" gleicht einer Geisterstadt. Die Balkone der vierstöckigen Wohnhäuser sind leer, die Fenster dunkel. Die Swimmingpools sind verwaist, auf den weitläufigen Plätzen ist kein Laut zu hören, nur der Wind pfeift zwischen den Häusern hindurch. Nelson Évora ist sichtbar stolz.

Nach links und rechts deutend, marschiert der Manager durch die Ferienanlage und erklärt, was hier alles noch entstehen soll. Supermärkte, ein Fitnessstudio, Restaurants, Bars. Ein Arbeiter steht in der prallen Mittagssonne und zielt mit einem Wasserschlauch auf weiße Rosenstöcke. Wasserknappheit ist ein großes Problem in Kap Verde. Doch hier soll ein Paradies entstehen. Da ist kein Raum für Sparsamkeiten, auch bei Wasser nicht.

80 Prozent der 3000 Bungalows und Wohnungen seien bereits verkauft, erzählt Évora. Das Mega-projekt im Niemandsland zwischen der Inselhauptstadt Espargos und dem Touristenort Santa Maria ist nur eines von mehreren. Sonne und Sand – mehr hat das karge Eiland Sal nicht zu bieten. Doch die Zentralregierung von Kap Verde drei Inseln weiter in Praia sucht nach wirtschaftlichen Perspektiven. Sie setzt dabei auch auf Massentourismus nach Vorbild der Kanarischen Inseln.

Denn Anfang 2008 hat der Inselstaat etwas geschafft, was vor ihm nur ein Land in Afrika, Botswana, erreicht hat: Kap Verde ist aufgestiegen. Von der Gruppe der am wenigsten entwickelten Länder wurde es heraufgestuft zu einem Land mit mittleren Einkommen.

Darauf ist das Land stolz, aber es gibt noch viele Probleme. Kap Verde hat kaum eigene Ressourcen, keine Bodenschätze, keine Industrie. Fast alles muss importiert werden, Lebensmittel inklusive. Vor vier Jahren hat das Land zwar erstmals mehr Geld durch Tourismus erwirtschaftet als die 700.000 Emigranten aus den USA und Europa zurückgeschickt haben, doch die Abhängigkeit bleibt hoch. Einige Geber lassen nun ihre Hilfe auslaufen: Niederlande, Deutschland – und Österreich.

Kein ADA-Büro mehr

Wien stellt die bilaterale Zusammenarbeit (siehe Artikel rechts) ein, die Repräsentanz der Austrian Development Agency, kurz ADA, schließt Ende Juni. "Für Österreich bedeutet die vielversprechende Entwicklung Kap Verdes eine Änderung seiner Zusammenarbeit: weg von der klassischen Entwicklungshilfezusammenarbeit und hin zu einer Unterstützung im Rahmen der strategischen Partnerschaft zwischen EU und Kap Verde" , begründet die ADA diesen Schritt.

Im Außenministerium in Praia ist man darüber naturgemäß wenig erfreut. "Anstatt darüber nachzudenken, die Kooperation einzustellen, könnte Österreich die Zusammenarbeit auf eine andere Ebene verlegen" , sagt José Luís Rocha, Direktor für Außenbeziehungen. Billige Kredite, wirtschaftliche Kooperation – dort sieht er die Perspektiven. Der frühere Botschafter in Brüssel hat die Ärmel seines Hemdes hochgekrempelt und es sich in einem Ledersessel bequem gemacht. So skizziert er die Zukunftsvision.

Der Inselstaat, rund 500 Kilometer vor der westafrikanischen Küste, will zu einem Drehkreuz für die Luft- und Schifffahrt werden, sich als Finanzzentrum etablieren und als Ausgangspunkt für Wirtschaftskontakte zu den westafrikanischen Staaten dienen, die sich im Wirtschaftsverband Ecowas zusammengeschlossen haben. "Es ist ein gut regiertes Land – wirtschaftlich und politisch" , sagt Rocha. "Es geht daher nicht nur um unseren Markt – wir können auch Zugang zu anderen Märkten anbieten."

Ähnlich sieht es Josep Coll, der ein paar Straßen weiter residiert. Der Spanier vertritt in Praia die EU, die seit Ende 2007 eine "Special Partnership" mit Kap Verde hat – "das ist einzigartig für die Staaten in Afrika, im Pazifik und der Karibik" . Die EU wolle wirtschaftlich präsent sein, sagt der Botschafter. Westafrika sei ein riesiger Zukunftsmarkt.

Problem Drogenhandel

Die Unterstützung der EU besteht auch aus Budgethilfe, zehn Millionen Euro fließen jährlich aus dem Haushalt der Union in den Staatshaushalt, rechnet der Botschafter vor. Die Armutsbekämpfung spiele eine große Rolle – noch immer leben 25 Prozent der Einwohner unter der Armutsgrenze. Die spezielle Partnerschaft soll auch die wirtschaftlichen Beziehungen verstärken. Die Regierung in Praia drängt zudem auf Visafreiheit. Doch hier blockt die Union ab – auch wegen der Sicherheit, eines weiteren EU-Anliegens.

"Das Land ist strategisch sehr günstig gelegen" , betont der Botschafter. Stichwort Drehkreuz: Kap Verde blühe trotz der Bemühungen der Regierung auch als Transitland für den Drogenhandel, für Waffenschmuggel und Menschenhandel. "In Sachen Sicherheit" , sagt Coll, "verlaufen die EU-Grenzen nicht auf den Kanaren – sie sind hier." (Julia Raabe aus Praia/DER STANDARD, Printausgabe, 22.6.2010)