Wien/Baku - Braucht Österreich ausgerechnet am Kaspischen Meer eine neue Botschaft? Die Antwort hat drei Buchstaben: OMV. Mit der Eröffnung einer diplomatischen Vertretung in Aserbaidschans Hauptstadt Baku am Mittwoch will die Regierung dem Mineralölkonzern die ultimative Starthilfe für das Pipelineprojekt Nabucco geben. Aserbaidschan, autoritär regiert und reich an Öl und Erdgas, ist der Schlüssel zu Europas einziger Gasroute aus dem Osten, die nicht unter der Kontrolle Russlands stünde. Das, so denkt sich mancher in Wien, ist allemal einige politische Verbiegungen wert.

Mit großen Delegationen reisen Außenminister Michael Spindelegger und Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner am heutigen Dienstag nach Aserbaidschan. Allein 50 Köpfe zählt die Unternehmergruppe der Wirtschaftskammer, die im Kielwasser von OMV und des Öl- und Gasbooms in die frühere Sowjetrepublik kommen.

Wie enorm die Einnahmen des Regimes aus dem Energiegeschäft in den vergangenen Jahren gewesen sein müssen, zeigte zuletzt ein Bericht der Washington Post. Die US-Zeitung schrieb vergangenen März über die extravagante "Einkaufstour" eines elfjährigen Aserbaidschaners auf dem Immobilienmarkt in Dubai: Heydar Alijew, dessen Name und Geburtsdatum laut Behördenangaben in Dubai identisch mit dem Sohn des aserbaidschanischen Staatschefs Ilham Alijew sein sollen, kaufte in einem Zug neun Villen mit Blick auf den Golf für 44 Millionen Dollar - etwa das Gehalt, das ein Durchschnitts-Aserbaidschaner derzeit in 10.000 Jahren erarbeiten würde. Das Präsidialamt in Baku lehnte der US-Zeitung gegenüber einen Kommentar ab.

Am Grab von Heydar Alijew senior werden Spindelegger und Mitterlehner zu Beginn ihres Besuchs einen Kranz niederlegen. Um den langjährigen ZK-Sekretär der Sowjetrepublik Aserbaidschan und späteren Präsidenten hatte sich in den vergangenen Jahren ein Personenkult entwickelt, der sich in der Errichtung von Statuen und Großbauten niederschlug.

Die Alijew-Dynastie

Heydar Alijew übertrug seinem Sohn Ilham zunächst das Amt des Regierungschefs, 2003 folgte ihm Ilham Alijew im Amt des Staatspräsidenten nach. Die Wahl war von gewalttätigen Zusammenstößen und - wie alle späteren Wahlgänge im Land - großen Manipulationen gekennzeichnet. Doch ungeachtet der künstlich hochgehaltenen Rekordergebnisse für Alijew und dessen Neue Aserbaidschan Partei hat der Präsident nach wie vor breite Zustimmung unter den offiziell neun Millionen Aserbaidschanern im Land.

Österreichs diplomatische Vertretung in Baku ist im "Landmark III" untergebracht, einem der neuerrichteten Hochhäuser im Stadtzentrum, das auch von einer Reihe anderer Botschaften und der OSZE genützt wird. Spindelegger spricht von einem "deutlichen Zeichen der strategischen Neuausrichtung unserer Außenpolitik, gerade auch in Krisen- und Sparzeiten" . Tatsächlich schloss das Außenamt aus Kostengründen anderswo bereits Konsulate - in Hamburg, Rio de Janeiro, nach der WM auch in Kapstadt. Gleichzeitig löste die Platzierung einer einzigen österreichischen Vertretung in Baku Verwunderung in den beiden anderen Ländern im Südkaukasus aus - in Georgien, das sich als Mittler begreift, und im mit Aserbaidschan verfeindeten Armenien. Als Konsequenz aus dem Krieg in Georgien hatte Spindeleggers Amtsvorgängerin Ursula Plassnik im September 2008 noch Botschaften in Tiflis, Baku und "mittelfristig" in Eriwan in Aussicht gestellt.

Spindelegger wird am Donnerstag nach Georgien weiterreisen und seine Kaukasusreise am Freitag in Armenien beenden. Beide Länder werden aus Kostengründen weiter von Wien aus von Botschafter Michael Postl betreut. Österreichs neue Botschafterin in Baku, Sylvia Meier-Kajbic, war zuvor auf Posten in Algerien.

Die Eröffnung einer Botschaft in Baku sei "nur legitim, wenn wir uns massiv für Medienfreiheit und Menschenrechte in Aserbaidschan einsetzen" , meinte die grüne Europaabgeordnete Ulrike Lunacek zum Standard. Lunacek, die auch Mitglied des Südkaukasus-Ausschusses im Straßburger Parlament ist, hatte vergangenen Dezember eine Resolution mitinitiiert, in der die Verhaftung und Aburteilung zweier junger Bürgerrechtler in Baku nach einer offensichtlich inszenierten Prügelei kritisiert wurde.

Die Justiz benutze wie im Fall von Emin Milli und Adnan Hajizadeh "fabrizierte Anklagen" , sagte der Menschenrechtskommissar des Europarats, Thomas Hammarberg, zum Standard: "Es muss einen Wandel in der Haltung zum Recht auf freie Meinungsäußerung in Aserbaidschan geben." Hammarberg stellt am 29. Juni seinen Bericht zu Aserbaidschan vor. (Markus Bernath/DER STANDARD, Printausgabe, 22.6.2010)