Wien - In der Debatte um eine automatische gemeinsame Obsorge haben ExpertInnen im Zuge einer Fachtagung am Wochenende in Wien auf den Schutz von Opfern häuslicher Gewalt gepocht. Konkret wurde am Montag in einer Aussendung der Wiener Interventionsstelle gegen Gewalt eine automatische Aussetzung von Obsorge- und Besuchsrechten im Falle häuslicher Gewalt gefordert. Außerdem müssten Präventionseinrichtungen in die Parlamentsenquete zum Thema am Donnerstag stärker einbezogen werden.

Verweis auf Polizeistatistiken

Justizministerin Claudia Bandion-Ortner hatte eine automatische gemeinsame Obsorge beider Elternteile nach einer Scheidung vergangene Woche als eine "sehr ernsthafte Option" bezeichnet. "Wir beobachten die gefährliche Tendenz, dass der Schutz der Kinder vor häuslicher Gewalt zunehmend in den Hintergrund gerät", kritisierte Rosa Logar von der Wiener Interventionsstelle, deren Organisation die Fachtagung mit über 100 ExpertInnen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz veranstaltet hatte. In der aktuellen Diskussion gehe es vor allem um Väterrechte, doch "von den Rechten der Kinder auf ein gewaltfreies Leben ist derzeit wenig zu hören", hieß es unter Verweis auf Polizeistatistiken, wonach die Opfer häuslicher Gewalt zu über 90 Prozent Frauen und Kinder seien.

Blick nach Deutschland

Beunruhigt sind die ExpertInnen vor allem, wenn sie nach Deutschland blicken. Dort seien die Erfahrungen mit der automatischen gemeinsamen Obsorge im Falle von Gewalthandlungen "alles andere als gut", da Väter nach der Scheidung die gemeinsame Obsorge behalten würden und die Beweislast, dass Kinder durch die Gewalt betroffen seien, bei Kind bzw. Mutter liege. "Immer mehr Kinder und Jugendliche werden zu Kontakten zum Vater gedrängt und sogar gezwungen, selbst wenn dieser in der Familie Gewalt ausgeübt hat", so Logar.

Die Forderung für Österreich: Das Kindeswohl müsse in jedem Fall einer genauen Prüfung unterzogen werden, bevor Obsorge- und Besuchsrechte gewährt werden. Weiters müssten gewaltausübende Väter von Pflegschaftsgerichten zu einem Anti-Gewalt-Training verpflichtet werden. (APA)