Oberpfaffenstätten - Die europäische Raumfahrtorganisation ESA hat ein neues wissenschaftliches Programm ins Leben gerufen: Erstmals sollen mit ihrem an der Raumstation ISS installierten Labor-Modul "Columbus" alle großen Schiffe und ihre Routen abgebildet werden. Das so genannte Automatic Identification System (AIS) wäre ein Äquivalent zu jenem Kontrollsystem, das auch in der Flugüberwachung eingesetzt wird.

Zunächst soll mit der Untersuchung festgestellt werden, ob solche Überwachungsprogramme und Statistiken effizient sind oder nicht. Erfasst werden von der Statistik allerdings nur Passagierschiffe, internationale Frachter wie Containerschiffe und Tanker, die mit einem "Class-A"-Transponder ausgerüstet sind. Der Transponder schickt kontinuierlich Identifikations- und Navigationsdaten an die Raumstation.

Erster Probelauf

Das "Columbus AIS"-Experiment wurde Anfang Juni erstmals gestartet, erklärt COLAIS-Projektmanager Karsten Strauch. Um nur eine Idee zu geben, wie viele Schiffe weltweit unterwegs sind, berichtet Strauch vom ersten Probelauf am 2. Juni: "Mehr als 90.000 Class A AIS Messages konnten wir zwischen 19 Uhr und neun Uhr morgen am folgenden Tag empfangen."

AIS ist ein System, das auf VHF-Radiosignalen basiert. Hafenbehörden und Küstenwache benutzen es. Der Einsatz ist jedoch stark eingeschränkt, da die horizontale Erfassung mit rund 74 Kilometer limitiert ist. Innerhalb der Küstenzonen ist es daher brauchbar, aber für einen Einsatz im offenen Meer ist die Reichweite zu gering. Die vertikale Reichweite der AIS-Signale ist aber groß genug, um die ISS zu erreichen.

Vorerst noch mangelhaft

Die Umlaufbahn der ISS kreuzt alle wichtigen Schifffahrtsrouten. Was den Forschern allerdings Probleme bereitet, ist die große Zahl der Schiffe, die weltweit auf den Ozeanen unterwegs sind. Das führe zu überlappenden Signalen und Interferenz-Störungen. Auch die hohe Geschwindigkeit der ISS, die mit sieben Kilometern pro Sekunde unterwegs ist, führt zu Signalstörungen.

Eine Lösung der technischen Probleme erwarten sich die ESA-Wissenschaftler von einer neuen Technologie. "Derzeit testen wir den NORAIS-Receiver, der vom norwegischen Verteidigungs-Forschungszentrum und von Kongsberg Seatex hergestellt wird", erklärt der Experte. In drei Monaten wird der zweite Receiver auf der ISS installiert. (pte)