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Bei Menschen mit Glatze bedarf es einer relativ kurzen Sohneneinstrahlung, um die Symptome eines Sonnenstichs zu akquirieren.

Foto: APA/Winfried Rothermel

„Der menschliche Organismus kommt mit hohen Temperaturen eigentlich gut zurecht", weiß Wolfgang Schreiber, Notfallmediziner am AKH Wien und Chefarzt des Österreichischen Roten Kreuzes. Hitze an sich ist also nicht das Problem, vermutlich schon gar nicht im Sommer 2010. Ein innerer Thermostat sorgt für eine konstante Körperkerntemperatur von 37 +/- 2Grad Celsius und macht den Menschen zu einem homoiothermen, wie hitzeresistenten Wesen. Selbst Temperaturen von über 100 Grad Celsius verträgt der Organismus deshalb in aller Regel problemlos. Vorausgesetzt: Die Hitzebelastung ist nur von kurzer Dauer, wie der übliche Aufenthalt in einer Sauna. Bei längerer Exposition können dagegen schon Umgebungstemperaturen von über 35 Grad Celsius den Körper bedrohlich gefährden.

Vorweg: Die Mehrheit der Bevölkerung betrifft das alles nicht und braucht sich vor den sommerlich heißen Tagen deshalb auch nicht zu fürchten. „Theoretisch ist es zwar möglich, dass man infolge einer Hitzeerkrankung stirbt, in unseren Breiten ist das aber eher die Ausnahme, als die Regel", spricht der Notfallmediziner beruhigende Worte.

Hitzeerschöpfung durch Flüssigkeitsverarmung

Und dennoch, bei Recherchen rund um das Thema, ist man mit einer Menge Begrifflichkeiten konfrontiert. Hitzekollaps, Hitzeerschöpfung, Hitzschlag und Hitzeschock sind mit zum Teil beängstigenden gesundheitlichen Folgen beschrieben und werden dabei noch permanent miteinander vermischt. Schreiber entwirrt diesen Knäuel, indem er sämtliche Varianten unter dem Begriff Hitzeerschöpfung subsummiert und ergänzt: „Der Mechanismus der hinter allen Hitzeerkrankungen steckt ist immer derselbe. Nur die Ausprägung differiert".

Das Schlüsselwort lautet Flüssigkeitsverarmung. Der Verlust an essentiellem Körperwasser verursacht eine Dehydration und ist allen Hitzeerkrankungen gemeinsam. Die Hitzeerschöpfung, die in Folge der Austrocknung (Exsikkose) eintritt, beschreibt die Lage recht treffend.

Hohe Außentemperaturen, direkte Sonneneinstrahlung und körperlicher Anstrengung beschleunigen in Kombination den Flüssigkeitsverlust. Über Haut und Atemwege gehen Wasser und Elektrolyte verloren und die Situation wird umso bedrohlicher, je mehr der Organismus an Wasser verliert. Beruhigend jedoch in diesem Zusammenhang: Niemand verliert das Bewusstsein und stirbt an einem Multiorganversagen ganz ohne Vorwarnung.

Trocken und immer trockener

„Das erste Symptom einer Austrocknung ist die Mundtrockenheit", weiß Schreiber. Ein harmloses Durstgefühl, das verschwindet, sobald man ihm Rechnung trägt. Trinken, in den Schatten gehen und dem Organismus etwas Ruhe gönnen. Damit ist die Sache im Normalfall erledigt.

„Wer nicht auf seine innere Stimme hört, für den wird die Situation immer trockener", bringt Schreiber den weiteren Verlauf auf einen Punkt. Mit dem Flüssigkeitsdefizit ist auch die Wärmeregulation im Organismus zunehmend überfordert. Die Körperkerntemperatur steigt, das eingedickte Blut neigt zur Bildung gefährlicher Thrombosen, die Niere versagt und das Zentralnervensystem reagiert mit Bewusstseinsverlust, Halluzinationen, Krämpfen und Koma. Bei einer Körpertemperatur über 42 Grad tritt der Tod durch Lähmung des Atemzentrums und durch Multiorganversagen ein.

Risikogruppen: Alte und Kinder

„Die Leute müssen lernen auf ihren Körper zu hören", appelliert Schreiber an die Selbstverantwortung jedes einzelnen. Alten Menschen und Eltern von Kleinkindern rät er indessen zu besonderer Vorsicht. Hohe Umgebungstemperaturen machen diesen Personengruppen nämlich in einem besonderen Masse zu schaffen, trocknen sie doch wesentlich schneller aus. Kinder deshalb, weil sie im Verhältnis zum Körpervolumen eine viel größere Körperoberfläche besitzen als erwachsene Menschen und mehr Fläche automatisch mehr Flüssigkeitsverlust mit sich bringt. Bei alten Menschen dagegen sind die Voraussetzungen von vornherein denkbar schlecht. Ihr Gesamtanteil an Körperwasser ist altersbedingt bereits reduziert.

Sonnenstich und Krampfanfall

Exot unter den Hitzeerkrankungen - weil nicht zwingend mit Wassermangel im Kontext - ist der Sonnenstich. Direkte Sonnenstrahlung auf den Kopf verursacht hier eine Reizung der Hirnhäute, die der Betroffene als Kopfschmerz, Übelkeit und Brechreiz zu spüren bekommt. Therapiert wird symptomatisch. Kopfwehtabletten, Wasser trinken und Schonung bringen das körperliche Wohlbefinden relativ rasch wieder zurück. Beginnende Beschwerden zu ignorieren, bewährt sich auch beim Sonnenstich nicht. „Der Tennisspieler der ohne Kopfschutz in der Mittagshitze weitertrainiert, riskiert im schlimmsten Fall einen epileptischen Anfall", so Schreiber und pocht abschließend erneut auf Primärprävention. (derStandard.at, 07.2010)