Nachrufe sind normalerweise viel Schall und Rauch. Doch diesmal, anlässlich des Todes von Hans Dichand, war es anders. Der Bundespräsident hielt sich auffallend zurück. Der Herausgeber der Kronen Zeitung sei "mehr als ein halbes Jahrhundert auf dem Mediensektor aktiv" gewesen, ließ Heinz Fischer aus der Hofburg verlautbaren. Und das "mit großem Einfluss", fügte das Staatsoberhaupt sachlich hinzu.

Der Erzbischof von Wien hingegen konnte sich fast nicht halten vor lauter Ehrerbietung. Kardinal Christoph Schönborn, Kolumnist der Krone bunt, wurde in der Trauernummer auf der ominösen Seite fünf mit dem Verstorbenen plakatiert. Auf einem Foto vor dem Stephansdom. Der geistliche und der weltliche Herrscher - im Verständnis Hans Dichands.

Schönborns Botschaft: 1. Dichand sei ein großer Publizist und Zeitungsmacher gewesen. 2. Seine Überzeugung, dass Religion zum Menschen gehört, stehe außer Streit. 3. Die Geschichte Österreichs sei ohne die katholische Kirche nicht verständlich. 4. Trotz "mancher inhaltlicher Differenzen" habe Dichand ihn "immer wieder bewegt und beeindruckt".

Diese Feststellungen provozieren Widerspruch. Dichand war zweifellos ein Blattmacher der Sonderklasse, gleichzeitig aber ein brutaler Populist, der vor dem Einsatz von Rassismus und Antisemitismus nicht haltmachte, wenn es um Auflage und Geschäft ging. Das hätte der Kardinal nennen müssen und sich nicht in allgemeine Floskeln ("manche Differenzen") flüchten dürfen. Aber das ist der Preis für eine wöchentliche Kolumne im Massenblatt: Kritik nur noch anzudeuten und Prinzipien der heutigen katholischen Kirche (gegen Rassismus) zu opfern.

Schönborns Betonung der Religiosität Dichands (er hat das Wort "christlich" vermieden), ohne die permanente Missachtung und Umdeutung der österreichischen Verfassung in den Cato-Texten der letzten Jahre zu erwähnen, lässt eine Vermutung wieder aufleben, die demokratiepolitisch interessant ist. Für den Wiener Kardinal sind offenbar Religion und Kirche wichtiger als Verfassung und Rechtsstaat. Diese Sichtweise rückt Schönborn in die Nähe fundamentalistischer Positionen.

Sicher ist richtig, dass Österreichs Geschichte ohne den Einfluss des Katholizismus nicht verständlich wäre. Einfluss im Sinne Dichands? Die Krone hat immer die Sicht einer streng hierarchischen Kirche verfochten, die Position einer konziliaren Struktur nie unterstützt. Sollte also Schönborns Hinwendung zu "Wir sind Kirche" in den letzten Monaten doch nur Optik sein?

Schönborns Sätze zum Tod des umstrittenen Zeitungsverlegers stehen jenen des Bundeskanzlers Werner Faymann näher, als der Bekundung des Bundespräsidenten. Heinz Fischer reagierte nüchtern, der Kardinal emotional, Faymann fast religiös, indem er das Wort "begnadet" verwendet hat.

Zum Foto vor dem Stephansdom findet sich noch ein Satz des Kardinals, der von seltsamer Naivität getragen ist: "Er hat die Seiten seiner Kronen Zeitung dem Evangelium ganz bewusst geöffnet und mir die Möglichkeit gegeben, es den Lesern näherzubringen." Gewiss, über drei Millionen Leser. Beim "Öffnen" hat Dichand sicher nur ans Religiöse und nicht ans Geschäft gedacht. (Gerfried Sperl/DER STANDARD; Printausgabe, 21.6.2010)