Bild nicht mehr verfügbar.

Kardinal Crescenzio Sepe bei einer Essensausgabe.

Foto: Reuters/De Luca

Bild nicht mehr verfügbar.

Kardinal Sepe verkehrt in höchsten Kreisen.

Foto: Reuters/Renna

In die damastbespannten Gemächer des Vatikans kehrt ein Gespenst aus den 80er-Jahren zurück. Ein Ermittlungsbescheid der Staatsanwaltschaft gegen Kurienkardinal Crescenzio Sepe läßt Erinnerungen an Erzbischof Paul Marcinkus wach werden, dessen zwielichtige Finanzgeschäfte den Vatikan und seine Bank IOR über Jahre in schräges Licht rückten. Gegen Sepe und Berlusconis Ex-Verkehrsminister Pietro Lunardi wird wegen illegaler Immobiliengeschäfte ermittelt - die jüngste Facette eines Korruptionssumpfs mit fast täglich neuen Details.

Sepe wirkte bis 1996 als Präfekt der Kongregation für die Evangelisierung der Völker, bevor er von Benedikt XVI. wegen mangelnder Transparenz seines Amtes enthoben und zum Erzbischof von Neapel ernannt wurde. Die unter dem früheren Name Propaganda Fide bekannte Kongregation verfügt über einen Immobilienbesitz im Schätzwert von neun Milliarden Euro. Allein in Rom gebietet die päpstliche Behörde über 2000 Immobilien, darunter den vom Modeschöpfer Valentino für 140.000 Euro Jahresmiete angemieteten Palazzo Mignanelli. Kardinal Sepe soll 1994 dem damaligen Verkehrsminister Lunardi gleich hinter dem Parlament ein Palais mit 42 Zimmern verkauft haben - um die Hälfte des geschätzten Wertes. Als Gegenleistung soll Lunardi dem Kardinal 2,5 Millionen Euro zur Verfügung gestellt haben, um den historischen Propaganda-Fide-Palazzo auf der Piazza di Spagna mit Pinakothek und Museum auszustatten. Die Arbeiten wurden jedoch nie durchgeführt.

Wohnung in der Altstadt

Sepes Geschäfte kreuzen sich mit jenen der drei Hauptfiguren des Korruptionsskandals. Italiens oberstem Katastrophenmanager Guido Bertolaso stellte der Kardinal eine kostenlose Wohnung in der Altstadt zur Verfügung. Den im Februar verhafteten Generaldirektor für öffentliche Bauten, Angelo Balducci, holte er als Immobilienberater in seine Kongregation, und der einflußreiche Bauunternehmer Diego Anemone ölte das Getriebe durch Geschenke an die Mächtigen. Wirtschaftsminister Claudio Scajola, dessen Luxuswohnung größtenteils von Anemone bezahlt wurde, mußte deshalb bereits zurücktreten.

Balducci durfte als "Ehrenmann seiner Heiligkeit" an Staatsbesuchen im Vatikan teilnehmen und unterstützte den päpstlichen Zeremonienmeister Francesco Camaldo mit Privatkrediten. Im Kirchenstaat fiel Balducci erst in Ungnade, als anrüchige Telefonmitschnitte bekannt wurden. Der katholische Familienvater hatte sich von einem nigerianischen Chorsänger des Petersdoms Callboys und Seminaristen für homosexuelle Spiele vermitteln lassen.

Der Vatikan verspricht Aufklärung und verweist auf die persönliche Verantwortung von Kardinal Sepe.  Vatikansprecher Federico Lombardi sagte, Sepe habe unermüdlich für die Kirche gearbeitet und besitze ein Recht auf Respekt und Wertschätzung. Der ausgeprägte Geschäftssinn des volksnahen Neapolitaners hatte den damaligen Kardinal Joseph Ratzinger bereits im Heiligen Jahr 2000 irritiert, das Sepe zu einer Art "religiösem Jahrmarkt" umfunktioniert habe. Der Erzbischof, der gerne neapolitanischen Dialekt spricht und sich auch über Facebook an die Gläubigen wendet, will der Vorladung der Staatsanwälte Folge leisten: "Wer auf den Wegen des Herrn wandelt, kann nicht fehlen." (Gerhard Mumelter aus Rom/DER STANDARD, Printausgabe, 21.6.2010)