Wien - Wenn Frau J. den Slogan "Die Entscheidung für ein Kind darf nicht von finanziellen Überlegungen abhängig sein" liest, dann spürt sie einen gewissen Ärger in sich hochsteigen. Denn von jener "Wahlfreiheit" , die ihr in Broschüren, Werbeeinschaltungen oder auch auf den Homepages des Familien- und des Frauenministeriums versprochen wird, bemerkte sie schon bislang wenig - und jetzt, seit ihrer neuesten Entdeckung, noch viel weniger:"Von wegen Wahlfreiheit! Das stimmt einfach nicht" , empört sich die 35-jährige Mutter eines sechs Monate alten Sohnes im Gespräch mit dem Standard. Eigentlich wäre sie "am liebsten drei Jahre" bei ihrem Kind zu Hause geblieben, "aber das ist bei 436 Euro im Monate finanziell nicht möglich" .

Also entschied sich Frau J. für die neue, einkommensabhängige Variante - mit 80 Prozent ihres Gehaltes als Studienassistentin in einem Wiener Forschungsinstitut und einem Zwei-Monats-Babybetreuungsengagement des Kindesvaters. Dann rechnete sie nach. Und musste erkennen: Das unter 12 plus 2 angepriesene einkommensabhängige Kinderbetreuungsgeld kann nur bis zum ersten Geburtstag des Kindes bezogen werden. Für Frau J. heißt das: Da sie nach der Geburt, wie es ihr gesetzlich zusteht, acht Wochen in Mutterschutz war und für diesen Zeitraum ihr volles Nettogehalt aufs Konto bekam (das nennt sich dann Wochengeld), bleiben ihr jetzt nur mehr zehn Monate, in denen sie Anspruch auf das von ihr gewählte Kindergeld-Modell hat. Auch wenn die Homepage des Frauenministeriums anderes verspricht:Als Bezugsdauer wird dort nämlich angegeben:"14 Monate, wenn beide Eltern beim Kind zu Hause bleiben (...)"

So hatte auch Frau J.s Plan ausgesehen, aber auch den musste die Jungmutter verwerfen:"Ich kann nicht zwei Monate Vollzeit arbeiten und dann wieder in eine Teilzeitbeschäftigung zurückwechseln" , das wäre ihrem Arbeitgeber nicht zumutbar, sagt sie. Die Konsequenz für Familie J.: "Mein Mann wird jetzt nicht bei unserem Kind zu Hause bleiben." Und Frau J. eben auch um zwei Monate kürzer als gedacht.

"Schlechterstellung"

Im Frauenministerium zeigt man sich nicht glücklich über die Koppelung des Kinderbetreuungsgeldes an das Lebensmonat des Kindes. Es heißt dort:"Die SPÖ wollte diese Schlechterstellung der unselbstständig Erwerbstätigen auch bei der letzten Reform des Kinderbetreuungsgeldes abschaffen" , gelungen ist es nicht.

Die junge Mutter ist doppelt enttäuscht. Für sie sind die Werbeslogans zum Kinderbetreuungsgeld "eine Fehlinformation" . Denn auch wenn die Bezugsdauer bei allen Modellen an das Lebensalter des Kindes gekoppelt ist, geht es für sie "vor allem bei jenen Varianten mit einer kurzen Bezugsdauer um jeden Monat" . Und die Anreize zur Väterbeteiligung scheinen ihr schlicht unüberlegt. Dass eine Mutter, aus der Karenz kommend, Vollzeit zu arbeiten beginnt und nach zwei Monaten wieder ihre Arbeitsstunden reduziert, sei "kaum umsetzbar" . (STANDARD Printausgabe, 21.6.2010)