Bild nicht mehr verfügbar.

Je begnadeter der Körper, desto günstiger die Versicherung. - Ist die Vernetzung der E-Card mit Fitnessclubs und Nahversorgungsketten nur mehr eine Frage der Zeit?

Foto: Reuters/Castro Mendivil

underbar. Jetzt hat die SVA mit mir vereinbart, dass ich Leistungsvereinbarungen mit meinem Hausarzt vereinbaren muss, der die Einhaltung oder Nichteinhaltung derselben der gesetzlichen Pflichtkrankenkasse meines Vertrauens mitteilt. Da kann ich dann sehen, was mein Körper so leistet. Oder wie leistungsunwillig er mittlerweile ist.

Da setzt man mir so schlichte Ziele: gesund sein im Rahmen vernünftiger Normwerte, und was mache ich? Ich bin einfach gesundheitsleistungsunwillig. Selber schuld, wenn dann meine Kostenleistung steigt.

Gekoppelt an die geplante Vorratsdatenspeicherung meiner E-Card bieten sich übrigens schöne Möglichkeiten der Gesundheitsförderung. So kann man dann zum Beispiel feststellen, ob ich vielleicht zu viel frei verkäufliches Aspirin erworben habe (oder womöglich ein von einem anderen Arzt oder einer anderen Ärztin als meinem Hausarzt verschriebenes Medikament) und also vermutlich eingenommen haben könnte, und, wenn ich partout nicht damit aufhören will, erzieherische Maßnahmen in Form eines Pönalaufschlags auf meine Beitragsvorschreibungen ergreifen.

Leistungsvereinbarung ist ja überhaupt ein wunderbar euphemistisches Wort, denn vereinbart habe ich persönlich diesbezüglich gar nichts, mit keiner Kasse,

Die Vereinbarung wird selbstverständlich nur zu meinem Besten über mich verhängt. Und das nach der sogenannten vertragslosen Zeit, die den Pflichtversicherten der SVA gezeigt hat, wie ernst es der Kasse mit dem Einhalten ihres Vertragsteils (also der Erfüllung ihrer Leistungsvereinbarung gewissermaßen) ist: nicht sonderlich. Leistungsvereinbarung impliziert Hierarchie: Was mir recht sein muss, billigt die Kasse. Leistungsvereinbarung heißt Pflicht auf der einen und Kontrolle auf der anderen Seite, nichts weiter.

Wobei die allerbeste Leistungsvereinbarung aus Kassensicht die bezüglich meines zeitgerechten Sterbens ist (nach einer ausreichenden Zahl an Beitragsjahren und bevor zu viel altersbedingte Kosten den Leistungsausgleich bei Gegenrechnung meiner Beitragsleistung ins Schwanken bringt).

Alles schön und gut, aber warum so halbherzig? Warum koppelt man das nicht auch gleich mit den Kundenkartendaten des von mir bevorzugten Supermarkts?

Dann lassen sich sofort Gegenmaßnahmen ergreifen, wenn ich zu viel zu Süßes, zu Fettes, zu Kaltes, zu Cholesterinhältiges, zu Alkoholisches oder sonst irgendwie nicht Opportunes nach Hause tragen will. Gleich beim Einscannen der Lebensmittelbarcodes, das ich zu meinem eigenen Besten gleich selbst mithilfe einer Self-Check-out-Kasse durchführe, kann man mich freundlich (akustisch oder optisch, ganz nach Geschmack, wobei die akustische Variante gleich eine pädagogisch wertvolle volksgesundheitliche Wirkung zeitigt) dazu auffordern, mir zu überlegen, ob der kurze Genuss tatsächlich höhere Beitragszahlungen rechtfertigt. - Eine rhetorische Frage, die ich, indigniert und mit gesenktem Blick, selbstverständlich zum Anlass nehmen werde, all die Pflichtkrankenkassenunverträglichkeiten im Supermarkt zu lassen. Wobei eine Ausgleichszahlung der Krankenkasse an die Nahversorgungskette für den Verdienstentgang natürlich locker drin ist, bei all den präsumtiven Leistungsansprüchen meinerseits, die sie sich durch das beherzte gesundheitspolitische Einschreiten Letztere erspart.

Na, also: Mit ein bisschen mehr strategischen Vernetzungen kann unsere neue Welt noch so viel schöner werden. (DER STANDARD Printausgabe, 19.6.2010)