Zirkel der Macht: Dichand mit Kanzler Werner Faymann und Bürgermeister Michael Häupl,

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mit Bundespräsident Thomas Klestil

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und mit Weggefährte Helmut Zilk.

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"Krone"-Titelseite (11. März 1988) mit Grillparzer-Zitat.

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"Krone"-Titelblatt mit Muttertagsbild des NS-Malers Switbert Lobisser.

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Vor etwas mehr als einem Jahr schrieb Hans Dichand in seiner Inkarnation als der alte Römer "Cato", der erste Artikel der österreichischen Bundesverfassung laute bekanntlich "Alle Macht geht vom Volke aus". Auf den Irrtum aufmerksam gemacht, änderte er später auf die richtige Fassung ab: Das Recht geht vom Volke aus. Macht nichts, hätte Dichand wohl gesagt. Hauptsache ist das Volk.

Dichands (Selbst-)Legitimation leitete sich aus seiner echten Überzeugung her, dass er und die "Krone" die Verkörperung des Volkswillens, ja des Volkes selbst seien. "Wir sind kein Boulevardblatt, sondern eine Volkszeitung!", sagte er einmal mit echter Empörung. Dichand betrachtete die "Krone" und ihre Leser als "große Gemeinschaft", ja, als "Volksgemeinschaft". Die "Krone" warb mit dem abgewandelten Grillparzer-Spruch "In unserem Lager ist Österreich".

"Das Volk" hat der "Krone" also sozusagen die Macht verliehen und die darf man natürlich in dessen Namen ausüben - zuletzt immer wütender, verstiegener und aussichtsloser, wie bei dem angestrebten Austritt aus der EU.

Das mag zwar als Wahnidee erscheinen, aber die Zahlen schienen Dichand ja irgendwie recht zu geben (wenn die verkaufte Auflage zuletzt auch bröckelte). Um das Juwel "Krone" wurde immer gestritten. Beim Nachlesen der komplizierten Gründungsgeschichte könnte man zu dem Schluss kommen, dass vielleicht auch andere Eigentumsrechte an dem Blatt gehabt hätten, nicht nur Dichand. Aber ohne ihn wäre das nie so ein Erfolg geworden, "geistiges" Eigentum ist hier auch materielles.

Aber all die Schriftsteller, Intellektuellen etc., die bitter analysierten, dass die "Krone" in ihrer biederen Lüsternheit, frommen Verschlagenheit, weinerlichen Aggressivität, ihrem Schwanken zwischen Selbstüberschätzung und Selbstmitleid und ihrer trotzdem beachtlich erfolgreichen Existenz ein ziemlich genaues Abbild eines beträchtlichen Teiles des österreichischen Volkes sei - die haben auch recht.

Die "Krone" hat jahrzehntelang das geistige Klima eines sehr autoritär verfassten Landes einbetoniert. "Die 'Krone' ist Hauptorgan der Anti-Aufklärung und der Anti-Moderne, vor allem in der Kunst", sagte einmal ein liberaler VP-Politiker (als es solche noch gab).

Sie ist mächtig, weil die Politiker an ihre Macht glauben (Faymann verließ auf die Todesnachricht den EU-Gipfel für ein Statement).

Dabei ist da die Beweislage keineswegs eindeutig. Dichand hat Politiker massiv unterstützt, die seinen rechten Vorstellungen entsprachen: Kurt Waldheim, Hannes Androsch, Jörg Haider, Karl-Heinz Grasser. Alle endeten eher unrühmlich. Er hat andererseits ihm zuwidere liberale Politiker abgeschossen wie Erhard Busek, oder Caspar Einem. Helmut Zilk, wohl sein Idealbild eines rechten, populistischen Sozialdemokraten, hielt er gegen alle "Tschechenspion"-Evidenz die Stange. Im Jahr 2000 wollte er die Koalition der Schüssel-ÖVP mit der Haider-FPÖ verhindern. Nicht weil er moralisch etwas dagegen gehabt hätte, sondern weil er richtigerweise meinte, Haider müsse nur noch eine Wahl abwarten, um selbst Kanzler zu werden.

Jedenfalls ist die "Krone" das Gesamtkunstwerk eines einzigen Mannes. Dichand war jahrzehntelang Gründer, bestimmender Eigentümer, Verleger, Chefredakteur, Personalchef, Redakteur (und Autor) von Leserbriefen an die "Krone" - bis zuletzt. Er war "der Alte", dem kaum jemand zu widersprechen wagte, weder seine Redakteure noch etliche Bundeskanzler und Minister dieser Republik. Persönlich wirkte er wie "ein lieber Opa" (eine Dame, die ihre Erfahrungen mit ihm in der verblichenen Zeitschrift Basta veröffentlichte). Die neue Wissenschaftsministerin Karl, die er wegen ihres angenehmen Äußeren wohlwollend empfing, warnte er, einer seiner Redakteure sei Ungar, da müsse man sich vorsehen.

Er war leise, wirkte harmlos, beklagte sich bei Geschäftspartnern über die Ungerechtigkeit der Welt, aber eben die empfanden ihn als "brandgefährlich" oder, wie ein Rechtsanwalt, als "Geheimdienstchef". Die längste Zeit war die Krone-Mannschaft wirklich eine Art Familie, aber zuletzt mussten plötzlich ganz alte Weggefährten gehen.

Die eigentliche Stärke der Dichand-"Krone" lag aber weniger in konkreten politischen Ergebnissen als in der Schaffung/Ausnutzung eines breiten Meinungsklimas. Dieses ist meist mit den schlimmeren Volks-Ressentiments identisch und manchmal extrem rechts.

Das entspricht Dichands früher Prägung. Er ist in Graz, "Stadt der (NS-)Volkserhebung", aufgewachsen, als Matrose der deutschen Kriegsmarine fast ertrunken. Die deutsche Wehrmacht war sein Leitbild. Einmal zierte ein Muttertagsbild des NS-Malers Switbert Lobisser das Titelblatt (Bild). Am 11. März 1988, zum 50. Jahrestag des "Anschlusses" Österreichs an Hitler-Deutschland, griff Dichand mit einem trotzigen Grillparzer-Zitat in die Debatte ein (Bild). Es erschienen Texte der Starkolumnisten, in denen der Holocaust geleugnet und verschleierte Geburtstagsgedichte auf Hitler ausgebracht wurden. Seit die "Kriegsgeneration" ausstirbt und Nahestehende mehr Einfluss ausüben, gibt es kaum mehr Antisemitismen. Und zur Verwirrung mancher Leser erschienen zuletzt sogar Leserbriefe und Kolumnen pro Arigona Z.

Hans Dichand war ein sehr rechter Österreicher, der das total normal fand. "Ich bin weder Rassist noch gegen Ausländer. Ich bin nur dagegen, dass man so einen Humanitätsdilettantismus pflegt, der die Steuerzahler belastet, weil man Sozialschmarotzer und Kriminelle stützt." Genauso könnten es auch die allermeisten Krone-Leser und sehr viele Österreicher gesagt haben. (Hans Rauscher/DER STANDARD, Printausgabe, 18.6.2010)