London - Die britische Regierung organisiert die Aufsicht über das wichtigste Finanzzentrum der Welt neu. Die Kontrolle der Banken in der City of London werde an die Zentralbank zurückfallen, teilte Schatzkanzler George Osborne am Mittwoch dem Unterhaus mit und kündigte damit die Entmachtung der Aufsichtsbehörde FSA an.

Auch soll eine unabhängige Kommission prüfen, ob Investment- und Geschäftsbanken getrennt werden sollten. Das bisherige System sei "spektakulär gescheitert" , sagte Osborne. Der konservative Finanzminister will in seinem Nachtragshaushalt kommende Woche eine Bankenabgabe bekanntgeben, die jährlich bis zu drei Milliarden Pfund in die Staatskasse bringen könnte.

Bis zum Beginn der Krise 2007 trug die Finanzindustrie rund zehn Prozent zum Bruttoinlandsprodukt der Insel bei und war für rund ein Drittel des jährlichen Wirtschaftswachstums verantwortlich. Seither musste die Regierung den Banken mit Staatsgeldern unter die Arme greifen, große Institute wie Royal Bank of Scotland (84 Prozent) und Lloyds (43 Prozent) befinden sich großteils in Staatsbesitz. Zusätzlich hat die Zentralbank 200 Milliarden Pfund in den Markt gepumpt.

Die neue Bankenkommission wird von John Vickers geleitet. Der frühere Chefökonom bei der Bank of England war zuletzt Leiter der Wettbewerbsbehörde OFT. Vickers' Gremium werde "ohne Vorurteile" die Frage diskutieren, ob übergroße Bankenkonzerne zerschlagen werden sollten. Ergebnisse werden frühestens in einem Jahr vorliegen.

Für die Aufteilung bisher integrierter Konzerne in die risikoreichen Investmentbanken sowie die Institute für Privat- und Firmenkunden plädiert der kleine liberale Koalitionspartner seit längerem. Wirtschaftsminister Vince Cable bekräftigte zu Wochenbeginn, bei der Bankenaufsicht gehe "die Reise in diese Richtung" .

Ähnlich denkt auch Zentralbankgouverneur Mervyn King. Angemessene Regulierung könne das Scheitern risikoreicher Geschäfte nicht verhindern, glaubt der Zentralbanker: "Wenn eine Bank zu groß ist, um pleitezugehen, dann ist sie zu groß."

Osbornes Vorgänger Alistair Darling erinnerte im Unterhaus daran, dass die Trennung in Sparten "nicht vor Pleiten schütze" : Der britischen Hypothekenbank Northern Rock wurde ihr aggressives Geschäftsmodell sowie das Austrocknen des Interbankmarktes zum Verhängnis, die US-Investmentbank Lehman Brothers scheiterte an den Risikospielen ihrer Trader.

In der City wird sehr genau beobachtet, ob Osborne für den FSA-Chairman Adair Turner eine neue Rolle vorgesehen hat. Der auch international angesehene Regulierungsexperte könnte als Vizegouverneur der Zentralbank die schärferen Regeln für die Finanzindustrie fortschreiben, welche die FSA in den vergangenen Monaten auflegte. Seither dürfen Boni nicht mehr für länger als ein Jahr garantiert werden, Vorstandsmitglieder erhalten ihre Sondervergütungen mit bis zu dreijähriger Verspätung. (Sebastian Borger aus London, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 17.6.2010)