Wien - Zwei Demonstrationen gegen die israelische Militäraktion gegen die Gaza-Hilfsflotte in Wien sorgen für Aufregung in der jüdischen Gemeinschaft. Die Israelitische Kultusgemeinde Wien (IKG) hat antisemitische Botschaften unter den Teilnehmern geortet und eine Sachverhaltsdarstellung an die Staatsanwaltschaft übermittelt. IKG-Präsident Ariel Muzicant nahm am Mittwoch in einer Pressekonferenz auch die Politik in die Pflicht, die zu den Vorfällen Stellung nehmen solle.

Hakenkreuz mit Davidstern gleichgesetzt

Zu den Demonstrationen, die am 1. und 4. Juni in Wien stattfanden, hatten mehrere pro-palästinensische Organisationen aufgerufen. Beim zweiten Termin waren der Wiener SPÖ-Gemeinderat Omar Al-Rawi, der eine Rede vor den Demonstranten hielt, und Fritz Edlinger von der Gesellschaft für Österreichisch-Arabische Beziehungen (GÖAB) beteiligt. Sie sollen sich in Gesellschaft mit Teilnehmern befunden haben, die laut IKG teils antisemitische Transparente schwenkten. So wurde etwa auf Transparenten der David-Stern mit dem Hakenkreuz gleichgesetzt, auf einem Transparent - allerdings bei der ersten Demonstration - war die Aufschrift "Wach auf Hitler" zu lesen, wie die IKG auf Fotos dokumentierte. Auch die Hamas-Fahne wurde hochgehalten.

"Es wurde eine rote Linie überschritten, die wir nicht akzeptieren können", zeigt sich Muzicant entsetzt. "Wo sind die Führer der muslimischen Gemeinde in Österreich, die so eine Hetze organisieren?" Der IKG-Präsident sieht den Straftatbestand der Verhetzung erfüllt und erwartet gerichtliche Konsequenzen. Vor allem seien Übergriffe auf Juden in Österreich seit den Vorfällen in Israel deutlich angestiegen, berichtet er. Mitglieder der Gemeinde, vor allem jene, die durch ihre Kleidung klar als Juden identifizierbar seien, würden beschimpft und bespuckt. Taxifahrer weigerten sich, Juden mitzunehmen. Muzicant hat zwar bereits einmal aufgerufen, die Vorfälle zur Anzeige zu bringen, viele trauten sich allerdings nicht, berichtete er.

Muzicant ist es auch wichtig zu betonen, dass nicht alle Muslime in Österreich, sondern nur eine Minderheit derartig agierten. Er erwartet sich "eine klare Aussage, dass für so etwas kein Platz ist", IKG-Generalsekretär Raimund Fastenbauer vermisst ebenfalls "Worte der Mäßigung". Politische Konsequenzen für Al-Rawi verlangt die Kultusgemeinde von der SPÖ nicht direkt, gibt aber zu bedenken, dass dieser Mitorganisator der zweiten Veranstaltung gewesen sei und die Initiative für die umstrittene und laut Muzicant unausgewogene Resolution im Wiener Gemeinderat gesetzt habe. "Es ist schwierig zu akzeptieren, dass ein Gemeinderat Al-Rawi hier machen kann was er will", meinte auch der Präsident der jüdischen humanitären Organisation "B'nai B'rith", Victor Wagner.

Politikwissenschafter sieht "Allianz des politischen Islam"

Der Politikwissenschafter Thomas Schmidinger sieht in der Zusammensetzung der Demonstranten am 4. Juni eine "Allianz des politischen Islam", allerdings hätten sich auch türkische Rechtsextremisten, wie die Jugendorganisation "Die grauen Wölfe" beteiligt. Aus antisemitischen Antrieb hätten "Gruppen zusammengefunden, die sonst wenig miteinander zu tun haben", dass der Konflikt nach Wien"importiert" werde, könne nicht im Interesse der Parteien sein.

Al-Rawi hatte schon einen Tag vor der Pressekonferenz der IKG reagiert. "Solche Angriffe sind durch nichts zu entschuldigen und sind auf das Schärfste zu verurteilen", meinte er in einer Stellungnahme. "Sollten solche Angriffe von muslimischen Mitbürgern verübt worden sein, so distanzieren wir uns mit aller Deutlichkeit davon." Auch distanzierte er sich von der ersten, "wilden" Demonstration, wo das Plakat "Wach auf Hitler" geschwenkt worden war. Wichtig sei nun, "dass der vorbildliche interreligiöse Dialog zwischen den Religionen in Österreich weiter funktioniert und die guten Kontakte mit allen VertreterInnen der Religionen weiterhin sorgsam gepflegt werden".

Islamische Glaubensgemeinschaft weist "unqualifizierte Angriffe" zurück

Die Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGiÖ) hat am Mittwoch die Kritik der Israelitischen Kultusgemeinde Wien (IKG) an der Demonstration gegen die blutig verlaufene israelische Militäraktion gegen die Gaza-Hilfsflotte zurückgewiesen. IGGiÖ-Präsident Anas Schakfeh nannte die Pressekonferenz-Aussagen von IKG-Präsident Ariel Muzicant "unqualifizierte Angriffe" - und warnte, man sollte die Dialogkultur zwischen Juden und Muslimen in Österreich nicht gefährden.

Schakfeh wies auch "aufs Schärfste die unqualifizierten Angriffe auf Omar Al Rawi zurück". Und er wandte sich dagegen, "rechtschaffene Menschen, aufrechte Antifaschisten" als "Hetzer ins Eck" zu stellen - oder "in Geiselhaft" zu nehmen für "jene zwei oder drei Gestalten, ... die außerhalb der Demonstrationskultur der Kundgebung agierten". "Inakzeptable Plakattexte" verurteile die IGGiÖ ebenso wie die Demo-Veranstalter. Und "selbstverständlich sind auch jegliche Übergriffe auf Juden in aller Entschiedenheit zu verurteilen", betonte Schakfeh.

Er wies es aber zurück, die Strategie der Demonstration pauschal als "antisemtisch" zu diffamieren. Damit sollten wohl die "bequemen Denkschranken aufrechterhalten werden, mittels derer die Politik Israels niemals kritisch infrage zu stellen" sei, so Schakfeh.

(APA)