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Viel Lärm machte VP-Chef Josef Pröll um seine Superpraktikantin Reez Wollner (Dritte von links). Um die rechtliche Absicherung der Praktikanten ist es politisch still, ihre Arbeitsverhältnisse sind prekär.

Foto: APA/ANDREAS PESSENLEHNER

Wien - Alle Jahre wieder sei dem Missbrauch Tür und Tor geöffnet, und jedes Jahr verschärfe sich die Situation, doch das ganze gehe im Heer anderer Probleme unter, sagt Josef Leitner von der Arbeiterkammer. Der Rechtsexperte ebnet Studenten und Schülern Wege zu ihren ersten Praktika und Jobs: Es sei eine holprige, meist ernüchternde Angelegenheit, bei der sich Unternehmer die Unwissenheit der Jungen und fehlende gesetzliche Regelungen zu Nutze machten.

Die Hälfte der Studenten werde für ihre Sommerjobs nicht bei der Sozialversicherung gemeldet und entbehre jedes Dienstverhältnis. Mehr als 40 Prozent sehen sich lediglich Hilfsdienste erledigen. 50 Prozent leisteten unbezahlt Überstunden, und ebenso viele klagten über eine insgesamt zu geringe Entlohnung, verweist Leitner auf Studien der Arbeiterkammer.

150.000 Praktikanten

Der Markt für Praktikumsplätze wiege schwerer als angenommen. Dabei gehe es um 150.000 Jugendliche, die jährlich im Rahmen der Ausbildung diese Jobs absolvieren müssten, im Schnitt sechs Wochen lang. Das entspreche 20.000 übers Jahr beschäftigten Mitarbeitern - oder der Leistung 100 großer Betriebe, rechnet er vor. "Das wird wahnsinnig unterschätzt".

Die Crux dabei: Der Begriff des Praktikums sei in Österreich zwar im Schulrecht, nicht aber im Arbeitsrecht verankert. Und aus dieser Lücke heraus ließen viele Unternehmen Junge vielfach gnadenhalber und immer öfter unentgeltlich für sich arbeiten. Die meisten würden das auch mit sich gefallen lassen. Denn wer wolle schon die berufliche Karriere mit einem arbeitsgerichtlichen Verfahren starten. Leitner: "Die Leute haben viel in die Ausbildung investiert, da ist die Hoffnung, dass sich ein richtiger Job auftut." Die Karotte vor der Nase gehe keiner auf Konfrontation, womit die Wirtschaft spekuliere. "Es ist eine prekäre Situation."´ Bis auf parlamentarische Anfragen sei in der Frage der Absicherung nichts passiert. Die Politik beschränke sich aufs Evaluieren.

Eine faire Bezahlung der Ferienjobs mahnt auch Gewerkschafter Wolfgang Katzian ein. Er hat den Markt vom Institut für Empirische Sozialforschung abklopfen lassen. Die Bilanz der Befragung von rund 400 Schülern und Studenten: Wo Praktikum draufsteht, ist vielfach ein Volontariat drinnen. Ein Viertel bis ein Drittel arbeite in ihren Ferien ohne Bezahlung. Ein Viertel der Schüler sieht sich als billige Arbeitskraft. Es liege vor allem auch an Informationsdefiziten der Jugendlichen, die nur wenig über Jobchancen und Arbeitsrechte Bescheid wüssten. Nicht nur Grundschulen, auch die Betriebe selbst müssten darüber mehr aufklären.

Eine Frage des Netzwerkes

Bedenklich hält Katzian zudem den Hürdenlauf zum Platz für ein Pflichtpraktikum. Ohne persönliche Netzwerke der Eltern gehe oft gar nichts. Und Kinder, deren Vater Maturaniveau habe, würden in der Regel bevorzugt. Schon hier zeichne sich die soziale Ungleichheit im Bildungswesen ab. Insgesamt falle es einem Viertel bis zu einem Drittel schwer, Pflichtpraktikaplätze zu finden. "Schreibt sie der Gesetzgeber vor, muss er dafür sorgen, dass es genug gibt."

Angebot und Nachfrage hielten sich bei Pflichtpraktika sehr wohl die Waage, ist Klaus Schedler von der Abteilung Bildungspolitik der Wirtschaftskammer überzeugt. Er kenne keine Beschwerden. Vieles in dieser Diskussion versperre den Blick auf die Leistungen der Unternehmen. Die Jungen würden ja nicht hinter die Kopierer und Kaffeemaschinen gestellt, sondern in Arbeitsabläufe integriert. Und die Jobs, bei denen nichts zu verdienen sei, spielten sich weniger in der gewerblichen Wirtschaft als in NGOs und Medien ab, die von Interessenten überrannt werden.

Unterm Strich ist die Zahl der Ferialjobs nach Einbrüchen 2009 heuer leicht gestiegen. Ein kleiner Teil wird übers AMS vermittelt: 545 offene Stellen gab hier es von März bis Juni. Zum Vergleich: Allein bei der Post schieben jährlich bis zu 1400 Jugendliche im Sommer Dienst. Die Zeiten, in denen es lustig-locker war und man um elf im Freibad, seien aber längst vorbei, sagt ein Post-Sprecher. "Es ist ein knochenharter Job." (Verena Kainrath, DER STANDARD, Printausgabe, 15.6.2010)