Washington/London - Auf massives Drängen der US-Regierung hat der Energiekonzern BP eine abermalige Ausweitung seines Kriseneinsatzes gegen die Ölpest im Golf von Mexiko zugesagt. Bis Ende Juni soll sich die Menge des abgepumpten Öls aus dem lecken Bohrloch auf 50.000 Barrel pro Tag (acht Millionen Liter) verdreifachen, wie ein Regierungsvertreter sagte. Mit der Zusage hatte BP auf ein 48-Stunden-Ultimatum der Regierung reagiert.

Gegenwärtig pumpt BP täglich etwa 15.000 Barrel Öl aus dem defekten Bohrloch ab, aus dem schätzungsweise 25.000 bis 30.000 Barrel pro Tag ausströmen. Die Erhöhung der Abpumpkapazität war ohnehin geplant, allerdings beschleunigte BP die Umsetzung nach dem Ultimatum der US-Regierung. Nach Informationen aus dem Weißen Haus sieht der neue BP-Plan außerdem vor, ein Schiff aus Südamerika, zwei weitere Tanker aus Europa und ein flexibles Ansaugrohr zur gesunkenen Bohrinsel zu bringen, um mehr Öl abpumpen zu können.

Wachsende Spannungen

Der beschleunigte Kriseneinsatz erfolgte vor dem Hintergrund wachsender Spannungen zwischen dem Weißen Haus und dem britischen Konzern BP. Ein Sprecher der US-Regierung, die wegen Kritik an ihrem Krisenmanagement unter Druck steht, hob hervor, dass BP seine Anstrengungen zum Abpumpen des Öls auf direkte Intervention des Weißen Hauses hin verstärkt habe. "Wir werden BP weiterhin zur Rechenschaft ziehen", sagte der US-Vertreter.

Die Ankündigung kam zu Beginn einer Woche, in der das politische Krisenmanagement der Ölkatastrophe in den Mittelpunkt rücken soll. US-Präsident Barack Obama wurde am Montag zu seinem vierten, zweitägigen Besuch an der Golfküste erwartet. Am Dienstagabend will er sich in einer TV-Ansprache aus dem Weißen Haus an die Bürger richten - es wird der erste derartige Auftritt seit Beginn seiner Amtszeit sein. Am Mittwoch wird das BP-Management im Weißen Haus erwartet, am Donnerstag muss BP-Chef Tony Hayward vor einem Kongressausschuss Rede und Antwort stehen.

Nächste Schritte

Obama will am Dienstagabend um 20.00 Uhr (Ortszeit, Mittwoch 02.00 Uhr MESZ) nach der Rückkehr von seiner Reise in die Bundesstaaten Mississippi, Alabama und Florida in einer TV-Rede an die Nation die nächsten Schritte im Kampf gegen die Ölpest darlegen. Der Präsident ist heftiger Kritik ausgesetzt, nicht entschlossen und schnell genug auf die Krise reagiert zu haben. Auch habe er in Auftritten zu kühl auf die Nöte der Menschen reagiert, hieß es.

In der TV-Ansprache will Obama voraussichtlich die Einrichtung eines milliardenschweren Treuhandfonds zur Begleichung von Schadenersatz-Forderungen am Golf verlangen. "Wir wollen sichergehen, dass genügend Geld hinterlegt wird, um für legitime Forderungen aufzukommen", kündigte sein Berater David Axelrod am Sonntag im US-Fernsehsender NBC an.

Bewusstseinswandel

Obama sagte dem Onlinemagazin "Politico", dass er einen Bewusstseinswandel in der Energiepolitik erwarte, der mit den politischen Folgen der Terroranschläge vom 11. September 2001 vergleichbar sei. "So, wie die Sicht unserer Außenpolitik und unserer Verwundbarkeit grundlegend von 9/11 geprägt wurde, so glaube ich, dass diese Katastrophe unser Denken in Umwelt- und Energiefragen auf viele Jahre hinweg prägen wird", zitierte "Politico" den Präsidenten. Er strebe einen "kühnen" Vorstoß in Richtung eines neuen Energie-Gesetzes an, so Obama.

Wird der von Obama geplante, unabhängige Schadenersatz-Fonds Wirklichkeit, würde damit de facto die Kontrolle durch BP über Zahlungen beschnitten, schrieb das "Wall Street Journal". Am Montag wollte der BP-Vorstand nach dem massiven politischen Druck über eine Aussetzung der Dividende beraten. Es ist wahrscheinlich, dass der Konzern die vierteljährliche Zahlung für die Aktionäre verschiebt. Diese würde für das zweite Quartal rund 1,7 Milliarden Pfund (2 Milliarden Euro) betragen. Eine Option ist, dass das Geld in den Treuhandfonds einfließt. Ein Sprecher betonte, dass am Montag vermutlich noch keine Entscheidung zur Dividende verkündet wird. Zahlreiche Pensionsfonds haben in Aktien des Ölmultis investiert.

Kosten für BP

Die Ölkatastrophe kostete den britischen BP-Konzern nach eigenen Angaben bisher rund 1,6 Milliarden Dollar (1,3 Milliarden Euro). In dieser Summe seien Ausgaben für die Eindämmung des Ölteppichs und die Säuberung verseuchter Küstengebiete enthalten, teilte das Unternehmen in London mit. Außerdem seien Forderungen der US-Regierung beglichen und erste Schadenersatzzahlungen geleistet worden.Bisher sind bei dem Konzern mehr als 51.000 Schadenersatzforderungen eingegangen. Rund 25.500 seien bereits beglichen worden. Das summiere sich auf 62 Millionen Dollar. (APA)