Wien/Salzburg - Es ließen sich Arzthonorare sparen, Weg- und Transportkosten. Doch - so die österreichischen Kardiologen - die Telemedizin kommt auf diesem Gebiet derzeit kaum vom Fleck. Derzeit werden in Österreich mehr als 1.200 Patienten mit einem implantierbaren Herzschrittmacher oder Defibrillator werden bereits "mobil überwacht". Das ist aber viel zu wenig. "Viel mehr Menschen und auch das Gesundheitssystem sollten vom Nutzen der neuen Technologie profitieren", erklärte jetzt der Kardiologe Michael Gruska, Leiter der vor einem halben Jahr gebildeten "Taskforce Telemedizin" der Österreichischen Kardiologischen Gesellschaft anlässlich des vor kurzem stattgefundenen Jahreskongresses der Herzspezialisten in Salzburg.

"Telenachsorge"

Telemedizinische Systeme könnten bei Herzpatienten auf zweierlei Ebenen zur Anwendung kommen: Die sogenannte "Telenachsorge" ermöglicht - per Mobilfunk und ohne Beisein des behandelnden Arztes - eine zeitlich beliebig festlegbare Abfrage eines aktiven Implantates (Herzschrittmacher, Implantierbarer Defibrillator), die einer konventionellen Schrittmacher- oder Defibrillatorkontrolle im Krankenhaus entspricht. Das "Telemonitoring" wiederum bietet eine kontinuierliche engmaschige telemedizinische Überwachung eines Implantates durch eine tägliche automatisierte Abfrage und Übermittlung der Daten. Bei beiden Methoden werden umfangreiche medizinische und Geräte-Informationen transportiert.

Mit der telemedizinischen Fernüberwachung von Herzpatienten können heute "bereits alle wesentlichen Herz- und Gerätefunktionen und sogar die Alltags-Aktivität des Patienten überwacht werden", so Gruska. Bedenken, dass entsprechende Systeme zu einer Orwellschen Überwachung führen würden, schlug der Kardiologe in der mit Experten besetzten Telemedizin-Sitzung bei dem Kongress in den Wind. "Der Arzt beobachtet nicht den Patienten, sondern seine Gesundheit und sein Wohlbefinden. Dieses Zusatzservice wird in Österreich derzeit aber nur ca. zwei Prozent aller Implantatträger ermöglicht, alle anderen müssen sich mit ein bis maximal zwei ambulanten Kontrollen im Jahr begnügen", bedauerte der Taskforce-Leiter.

Weg von der Routinekontrolle

"Die telemedizinische Datenübertragung ist sicher und wird von Patienten gut angenommen", ergänzte Michael Nürnberg, Kardiologe am Wiener Wilhelminenspital. Die besonderen Vorteile für seine Patienten sieht er in einer Verbesserung der Nachsorge. Die raschere Erfassung von Herzrhythmusstörungen und technischen Problemen biete ihm die Möglichkeit, entsprechend früher darauf zu reagieren. Der Kardiologe erkennt bereits einen Paradigmenwechsel in der ambulanten Patientennachsorge: "Weg von der Routinekontrolle hin zur Kontrolle nur mehr im Bedarfsfall - "just in case" anstelle von "just in time". Das heißt, dass man sich viele unnotwendige Routinekontrollen in den Ambulanzen ersparen und diese damit zukünftig massiv entlasten könnte.

Dennoch sei eine breite Anwendung in Österreich im Unterschied zu Deutschland nach wie vor Zukunftsmusik, hieß es vonseiten der Experten. Grund dafür sei die fehlende Regelung der Finanzierung solcher telemedizinischer Leistungen im österreichischen Gesundheitssystem. Ein vom Gesundheitsministerium derzeit in Evaluierung befindlicher ambulanter Leistungskatalog sehe noch keine Möglichkeit der Dokumentation und Abrechnung solcher Tätigkeiten vor.

Den höchsten Stellenwert von telemedizinischen Systemen sieht Gruska zukünftig insbesondere in der Therapie der sogenannten Herzschwäche (Herzinsuffizienz). "Herzschwäche ist quasi eine Epidemie, deren Behandlung allein zwei Prozent unseres gesamten Gesundheitsbudgets verschlingt. Der Großteil der Kosten betrifft dabei Spitalsaufenthalte. Mit Telemedizin kann die drohende Entgleisung der Herzschwäche rechtzeitig erkannt und entsprechend behandelt werden. Daraus kann sich nicht nur eine höhere Lebensqualität und bessere Prognose des Patienten ergeben sondern auch eine deutliche Reduktion kostenintensiver stationärer Behandlungen im Krankenhaus", ist der Fachmann überzeugt. (APA)