Das Rothschildschloss mit Glasanbauten von Hans Hollein in Waidhofen, im Vordergrund die flaschengrüne Ybbs.

Foto: Prisching

Wirtschaftskrise und Umweltkatastrophen haben ihr Gutes: Sie rücken die Nähe stärker ins Zentrum der Wahrnehmung. Wenn Flüge ausfallen wegen Aschenregens oder Streiks, empfiehlt es sich, am Boden zu bleiben, Entschleunigung zu entdecken, zu genießen. Das Mostviertel hat diesbezüglich einiges zu bieten.

Waidhofen an der Ybbs ist die "Metropole" des Mostviertels, eine lebendige Kleinstadt mit wunderschöner historischer Altstadt und ruhmreicher Geschichte. Neben Steyr war hier im 14. und 15. Jahrhundert wichtigstes Zentrum der Eisenverarbeitung. Rund 200 Schmiedebetriebe produzierten für den wachsenden Bedarf und handelten mit den kostbaren Erzeugnissen. Zusätzliche Impulse erhielt die Region als Lieferant für Holz. Schon frühzeitig wurde deshalb der Fluss für den Holzschwemm- und Floßbetrieb genutzt. Das Gespür für Innovation sieht man der Stadt heute noch an: Den Turm des Rothschildschlosses versah Stararchitekt Hans Hollein mit exquisiten Glasauf- bzw. -zubauten.

Modernisierung gelungen

Die Proteste der Einwohner sind inzwischen weitgehend verstummt. Die Modernisierung ist Hollein hier ausgesprochen spektakulär gelungen. Wer gut essen will, geht nebenan zum Schlosswirt und lässt sich mit Ybbsforelle verwöhnen. Das Schloss wird als Kulturzentrum genutzt. Im Sommer lockt der Innenhof mit Theateraufführungen.

Wer Frischluft braucht, wählt aus unzähligen Angeboten: Der Naturpark Buchenstein lockt mit Tiergehege, die Basilika Sonntagberg gehört zu den schönsten sakralen Bauten Österreichs überhaupt, der Ybbstalradweg bringt Radler direkt zu den Obstbäumen, Mountainbiker finden fordernde Up- und Downhills.

Die Ybbs wartet mit erstaunlichem Fischreichtum auf und wird Fliegenfischer glücklich machen. Nicht zuletzt deshalb, weil man um das geschichtsträchtige Wasser weiß: Die "Schwarzen Grafen" der Schmieden und Schleifen nutzten den Fluss für ihre Zwecke. Einen letzten Erwerbsfischer listen die Stadtarchive noch bis vor 50 Jahren auf.

Das Revier gehört zweifelsfrei zu den schönsten Österreichs. Das war nicht immer so: Die Ybbs war in den 1980er-Jahren praktisch totes Gebiet, alles Leben durch angesiedelte Industriebetriebe fast ausgerottet. Mit rigorosen Maßnahmen konnte die Wasserqualität wie in so vielen Regionen entscheidend verbessert werden. Von ihrem Ursprung am steirischen Zeller Hut nahe Mariazell bis kurz vor Waidhofen heißt die Ybbs noch "Weiße Ois", dann schlängelt sich die "Schwarze Ois" von Ybbsitz dazu. Davor noch ein quirliger Gebirgsbach, ist die Ybbs bei Waidhofen flaschengrün.

Fisch auf dem Tisch

Die Fische - Bach- und Regenbogenforellen und Äschen, vereinzelt Huchen - sind klug und schnappen nicht bei jeder angebotenen Fliege gleich gern zu. Den Jagd- und Spieltrieb treibt das nur an: Nichts ödet den erfahrenen Fischer mehr an, als wenn jeder Wurf ein Biss ist. Aber auch so darf die Beute am Leben bleiben: Professionelle Fliegenfischer beachten das Gesetz des Rücksetzens. Der Fang wird im Kescher gelandet, der zappelnde Fisch vom Haken befreit. Wer will, kann jetzt fotografieren, wobei: Der Charme des 200. Bildes einer Forelle in Todesangst mit versonnen grinsendem Fänger hält sich auch in Grenzen. Danach setzt man die leicht benommene Beute ins Wasser ab, hält sie gegen die Strömung, um ihr so lebensnotwendigen Sauerstoff zu verabreichen und schickt sie auf ihre weitere Reise.

Wer die Forelle lieber auf dem Tisch als im Wasser sieht, muss zum Schlag ausholen. Maximal drei Stück pro Tag sind zum Mitnehmen erlaubt.

Und dann ist da noch dieses wunderbare Hotel, Schloss an der Eisenstraße. Auch hier gefällt die Mischung aus Alt und Neu. Die Grundsubstanz des frühbarocken Schlosses wurde durch Glas-Stahl-Holz-Zubauten erweitert. Die Zimmer des neuen Trakts verfügen über Balkone, jene im Schloss über dicke Mauern und kleine Burgfensterchen. Von den durchwegs geräumigen Zimmern schaut man in die Tiefe auf die flaschengrüne Ybbs, gegenüber die Dächer von Waidhofen. Vom Wellnessbereich führt eine Verbindung direkt zum öffentlichen Parkbad von Waidhofen. Zu tun gibt es also genug. (Doris Priesching/DER STANDARD/Printausgabe/12.06.2010)