Foto: Verlag Himmelstürmer/Imagecorner

Uwe Görke trägt den HI-Virus in sich. Und er posaunt es in die ganze Welt hinaus. Aus seinem Geltungsdrang macht er keinen Hehl. Er will allen zeigen, dass er noch lebt, dass er nicht aufgibt. Seinen Virus hat er "Tim" genannt und mit "Tim" ist es nicht immer einfach. Sein Traum war es, ein Buch zu schreiben.

Autorin Andy Claus erzählt im ersten Kapitel Görkes Geschichte, über seine schwierigen Familienverhältnisse und seinen Weg vor und nach der Diagnose. Geboren wird er 1964, sein Vater im Gefängnis, für seine Mutter ist alles zu viel, Görke kommt ins Kinderheim, erfährt später, dass er mehrere Geschwister hat; sie werden ins selbe Kinderheim gebracht. Weitere traumatische Erlebnisse folgen, Görkes Bruder entpuppt sich als Vergewaltiger und Mörder, kommt immer wieder hinter Gitter.

1993: positiver Test

Görke ist 24, als er seine ersten homosexuellen Erfahrungen macht - er küsst seinen Frisör. Er erlebt sein "Coming out", treibt sich in Kölner Schwulenbars herum, hat immer wieder Beziehungen zu Männern. 1993, im Alter von 29 Jahren, macht er den Test; er ist positiv. "Sie müssen dieser Randgruppe angehören", sagt der Arzt. „Sie haben AIDS (...) und jetzt verlassen Sie meine Praxis!". Görke ruft seinen Exfreund an und muss erfahren, dass dieser fremdging, während sie zusammen waren. Er beginnt, sich für die Aids-Hilfe zu engagieren, gibt Zeitungsinterviews, tritt in Talk Shows auf. Nicht überall stößt er dabei auf Zustimmung: ein Drohbrief, eine beschmierte Hausmauer, die Abo-Kündigung des Solariums.

Online-Tagebuch

Im zweiten Kapitel interviewt die Autorin Görke über seine Beziehung zu anderen Menschen, im Speziellen zu seiner Familie. Seine Mutter habe "von HIV/AIDS und meinem heutigen Leben keine Ahnung, sie interessiert sich einfach nicht dafür". Es folgen ein kurzes Interview mit Görkes aktuellem Lebenspartner und Statements von Freunden, Bekannten und Prominenten. Letztere lesen sich eher wie eine elendslange Lobeshymne, die Worte wiederholen sich, der Leser würde lieber gerne noch mehr über Görkes Leben an sich und den Umgang mit dem Virus erfahren. Zumindest werden auch Briefe und E-Mails von "Gegnern", die kein Verständnis für Görke haben, abgedruckt. Rund ein Drittel des Buches machen schließlich alte Einträge seines Online-Tagebuches und Statements zu HIV-bezogenen Themen aus.

Einblick in Görkes Lebenswelt

Während des Lesens mag man sich vielleicht an der teils derben Sprache ("Wir hatten immer super geilen Sex miteinander, voller Energie und Leidenschaft.") oder an den endlos scheinenden Lobeshymnen Bekannter und Freunde stören. Auch Görkes Lieblingsausdruck "Nee, is klar!?" könnte für den österreichischen Leser etwas befremdend wirken. Wer aber darüber hinwegsieht und das Buch ausliest, hat am Ende fast das Gefühl, Görke persönlich zu kennen. Oder zumindest, einen guten Einblick in seine Lebenswelt bekommen zu haben. (mak, derStandard.at)