Als 70-Jähriger steht Alois Will vor dem Mahnmal, das an jener Stelle errichtet wurde, an der er mit fünf Jahren die Ermordung dreier Juden mitansehen musste

Foto: DER STANDARD/Michael Simoner

Dorna - Die Kirschen leuchten schon rot von den Ästen, und in ein paar Tagen wird Alois Will, wie jedes Jahr um diese Zeit, die große Leiter an den Stamm lehnen und die reifen Früchte herunterholen. Jetzt steht er im Schatten des Baumes, hält ein wenig inne, bevor er zu erzählen beginnt.

Genau hier wurzelt eine seiner frühesten Kindheitserinnerungen: Mord. Genauer gesagt waren es drei Morde, die er als knapp Fünfjähriger hinter der Scheune beim Elternhaus in Dorna, einer Fünf-Häuser-Siedlung bei Mank im niederösterreichischen Mostviertel, mitansehen musste. Die Opfer waren jüdische Zwangsarbeiter aus Ungarn, die Täter SS-Schergen. Seit April 1945 lebt Alois Will mit der quälenden Erinnerung, jetzt haben der 70-jährige Bauer und seine Frau Erna diese Erinnerung auch öffentlich zugänglich gemacht. Mit einem privaten Mahnmal an jener Stelle, an der die Nazis die drei KZ-Gefangenen umgebracht haben.

Mit den berüchtigten Todesmärschen trieben die Nazis in den letzten Kriegstagen KZ-Häftlinge aus Osteuropa nach Mauthausen. Abends wurde Halt gemacht, wo sich der Tross gerade befand, so auch bei der Familie Will in Dorna. Zu Hause waren Großmutter, Mutter und vier Kinder, das jüngste davon Alois: "Es müssen an die 500 Juden gewesen sein, die im Stadl zusammengepfercht wurden. Einigen ist in der Nacht die Flucht gelungen, drei wurden am nächsten Morgen im Haus versteckt entdeckt. Bei der Exekution mussten wir alle zuschauen. Zuerst haben die SS-Leute die gefesselten Gefangenen nur angeschossen, um sie leiden zu lassen. Danach wurden sie per Kopfschuss exekutiert." Die Leichen seien an Ort und Stelle verscharrt worden. 1952 wurden die sterblichen Überreste schließlich exhumiert und auf dem Manker Gemeindefriedhof beigesetzt. Die Namen der Opfer konnten nie eruiert werden.

Seit längerem geplant

Die Idee eines Mahnmals hatte Alois Will schon länger im Kopf. Doch mit dem Zweiten Weltkrieg verbinden viele Familien ihr eigenes Leid. Die Gegend ist zudem Dollfuß-Land, das Geburtshaus des 1934 von Nazis ermordeten Begründers des austrofaschistischen Ständestaates in Texing ist nur wenige Kilometer entfernt. Kurzum: Die Aufarbeitung der Mitschuld am Holocaust war nie besonders dringlich.

Nach einem Besuch der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem im Rahmen einer Pilgerfahrt nach Israel, vertraute sich Alois Will dann im Vorjahr dem Manker Pfarrer Wolfgang Reisenhofer an, der, angetan von der Idee eines Mahnmals, seine Verbindungen spielen ließ. Firmen spendierten das Material, das örtliche Polytechnikum machte das Mahnmal zu einem Schulprojekt und setzte es auch baulich um. Zur offiziellen Gedenkfeier am vergangenen Freitag kamen 200 Gäste, darunter auch Raimund Fastenbauer, der Generalsekretär der Israelitischen Kultusgemeinde. (Michael Simoner/DER STANDARD, Printausgabe, 14. Juni 2010)