Wien - Die Finanz- und Bankenkrise hat gezeigt, dass das globale Risikomanagement versagt hat. Einzelne Institute hatten zu große Positionen im US-Immobilienmarkt, und das gesamte Bankensystem hatte zu wenig Kapital, um die Verluste durch den heftigen Konjunkturabschwung verkraften zu können. Doch heute seien die Bilanzen der Geldinstitute in "gesundem Zustand" betonten hochrangige Banker beim Kongress des Weltbankenverbands IIF in Wien.

Der Chef des Risikomanagements der Deutschen Bank, Hugo Bänziger, wies auf den "sehr guten" Zustand der Portfolios der Deutsche Bank hin, die dennoch ihre Kernkapitalquote auf 11,2 Prozent erhöht hat. Das höhere Eigenkapital sei durch andere Unsicherheiten gerechtfertigt. So würden die realen Risiken durch das niedrige Zinsumfeld versteckt, doch "diese Verschleierung wird wieder enden" , warnt Bänziger.

Steigen etwa in den USA oder Europa die Zinsen, die sich seit gut einem Jahr auf Rekordtiefstständen bewegen, würden die Banken auf ihren Bilanzen schwere Verluste erleiden. Ein Großteil der Rekordgewinne, die Banken im Vorjahr erwirtschaftet haben, ist durch das niedrige Zinsumfeld bedingt. In Europa würden besonders britische und französische Institute unter steigenden Zinsen leiden, ergab eine Studie der US-Ratingagentur Standard & Poor's.

Avinash Persaud, renommierter Wirtschaftsprofessor und Chef des Finanzdienstleistungsunternehmen Intelligence Capital, warnte zudem vor den weiteren Risiken aus der europäischen Staatsschuldenkrise. "Es wäre an der Zeit, einen Mechanismus zu schaffen, um das Problem zu beheben," sagte Persault. Bei einem Insolvenzverfahren für Staaten müssten auch die Gläubiger getroffen werden. Ein "Debt-Equity-Swap" , bei dem die Staatsanleihen eines Landes gegen andere, neue Wertpapiere getauscht werden, würde Sicherheit am Kapitalmarkt wiederherstellen. Gläubiger sollten neue Anleihen mit niedrigeren Zinsen bekommen, dann hätte Griechenland kein Problem, den Zinsdienst auf die Schulden zu begleichen.

Strengere Regeln

Ein wesentlicher Diskussionspunkt am IIF-Gipfel war das Regelwerk Basel III, das Banken zu mehr Eigenkapital und weniger Schulden zwingen soll. Strengere Regeln und Quoten sollen das Finanzsystem stabiler machen. Nach Ansicht von Persaud sollten Notenbanken und Finanzaufsichtsbehörden nicht immer individuelle Risiken einem starren Regelwerk unterwerfen. Die Regulatoren müssten schneller auf Neuerungen im Finanzsystem reagieren, die das volkswirtschaftliche Risiko erhöhen, sie hätten mehr Entscheidungsfreiheit.

"Es gibt keine Alternative zu makro-zentrierter Regulierung , sagte Persaud dem STANDARD. Ein erster Schritt der Krisenprävention wäre es, systemrelevante Banken - gemessen an der Bilanzgröße oder ihrer Vernetzung - mit strengeren Regeln zu belegen als kleinere Institute. Persaud spricht sich gegen eine Zerschlagung der Institute aus, meint aber: "Wer mehr Risiko im System verursacht, sollte mehr Kapital halten." (Lukas Sustala, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 14.6.2010)