Ich bin eine Frau – also nicht prädestiniert, über Fußball zu schreiben. Noch dazu öffentlich. Wo es doch so hübsche Sportarten für Damen gibt. Synchronschwimmen, Pudeldressur, Kunstturnen_... Ich tue es trotzdem. Meine Legitimation: Ich weiß, was „Schalker Kreisel“ und „Abseits“ ist, und ich kann 90 Minuten lang den Mund halten. Mehr kann man von einer Frau wirklich nicht erwarten, wenn WM ist.

Mit zwölf erkor ich nach meiner ersten großen Liebe, Dean Martin, Schneckerl Prohaska zu meinem Idol. Dean trank mir irgendwann zu viel, Schneckerl hingegen lebte gesund. Ein echtes Vorbild. Heute finde ich jeden Kicker gut, der ganze Sätze spricht, und wie alle Frauen liebe ich den Moment, wenn sie sich das Leiberl vom Leib reißen: Sixpacks, live und kostenlos! Frauen, die behaupten, sie würden da nicht hinschauen, lügen.

Gestern konnte ich in Berlin, wohin es mich als Wienerin vor einigen Jahren verschlagen hat, in einem Kleidergeschäft ein Paar beobachten. Er: „Darf ich mir das T-Shirt kaufen?“ Ich hielt inne: Dass es so etwas im 21. Jahrhundert noch gibt! Er zeigte ihr, wie ein Kind, ein lieblos designtes T-Shirt mit dem Aufdruck „Bundestrainer“. Es kostete nur 4,90 Euro, eine Okkasion. In seinen Augen lag Flehen. Sie schaute ihn entsetzt an: „Wo willst Du das denn anziehen?!“ Er kämpfte nicht. Vermutlich bekommt er nicht einmal Taschengeld, sonst hätte er das Leiberl auf eigene Rechnung kaufen können. Der Mann, Mitte 40, hängte es hingegen enttäuscht zurück und kaufte ein schlichtes, schwarzes. So viel zum Thema Emanzipation.

Mir tun alle Menschen leid, die Fußball nicht mögen. Es werden furchtbare Wochen. Man kann der WM ja nur schlecht entkommen. Als Ausweichorte empfehle ich Museen, eine schöne Alm oder einen Segeltörn.

Das Herzinfarktrisiko steigt laut Statistiken von 2006 um das Dreifache, Männer vergessen angeblich sogar für ein paar Minuten auf Sex und wer keinen Fußball mag, wird belächelt. Frauen können öffentlich sagen, dass sie Fußball blöd finden – Männer werden schief angeschaut, wenn sie sich outen.

Da meine Lieblingsmannschaft leider nicht mitspielt, halte ich eben zu meiner zweiten Heimat, die deutschen Spieler können angesichts der Krankenstandslage ja jeden Fan gebrauchen. Einen Vorteil hat es, dass wir „Ösis“ nicht mitspielen: Ich muss mir vier Wochen lang keine blöden oder hämischen Kommentare anhören. „Spielt man in Österreich eigentlich Fußball?“, fragte mich kürzlich ein Kollege. Wir Österreicher gelten in Berlin ja als Kuscheltiere: so lieb, so niedlich, so pflegeleicht. Wir randalieren nicht, wir eröffnen keine Problembezirke, wir machen nicht mal Demos.

Unseren guten Ruf wollte ich wegen ein bissel Fußball nicht aufs Spiel setzen. Ich antwortete also artig mit „Ja, aber diesmal haben wir keine Lust. Und außerdem weiß man in Südafrika nie, ob die Schnitzel am Ende nicht aus einem Strauß gemacht sind.“ Das leuchtete sogar dem Mann aus Bremerhaven ein.

Um die Ehre meiner Heimat irgendwie zu retten (als Ösi in Deutschland bin ich ständig in diplomatischer Mission unterwegs), sagte ich noch: „Wir können vielleicht nicht gut Fußball spielen, aber wir sind super im Skispringen.“ Der Kollege grinste. Und weil ich es einfach nicht lassen konnte, musste natürlich auch die Frage noch sein: „Erinnerst du dich noch an Córdoba?“ – Okay, das war gemein, aber er hat angefangen. Das Fachgespräch war beendet.

Ich bin jedenfalls gerüstet. Ich habe zwar keinen Garten, dafür einen Gartenzwerg mit Fußballdress, ich kaufe nur noch Semmeln mit Fußball-Aufdruck und habe ein eigenes Sitzkissen, nur für mich allein, mit dem Aufdruck „Stammplatz“.

Ich weiß sowieso schon, wer gewinnt: die Deutschen. Hat ein Mathematikprofessor ausgerechnet. Da hat heute allerdings im Radio ein Wahrsager reingegrätscht: Er behauptet, dass Deutschland nur Vize-Weltmeister wird. Platz eins: Spanien, Brasilien, Argentinien, England oder Holland. Wenn Sie mich fragen: Dafür muss man wirklich nicht in die Zukunft schauen können. (Silvia Meixner, DER STANDARD, Printausgabe, 12.6.2010)