Es läuft etwas schief. Trotz Finanzkrise - oder erst recht deswegen. Dieses diffuse Gefühl wird durch Fakten erhärtet, die in den vergangenen Tagen nicht nur in Österreich aufgetaucht sind.

Die einzelnen Mosaiksteine: Trotz wirtschaftlicher Verwerfungen in den vergangenen zwei Jahren ist die Zahl der Millionäre in Österreich um 3495 auf mehr als 39.000 gestiegen. Dass Österreichs wohlhabende Anleger zu den größten Gewinnern weltweit zählen, ist erst recht überraschend. Da die Studie von Boston Consulting erstellt worden ist, erübrigen sich Versuche, die Zahlen anzuzweifeln.

Ein weiteres Beispiel für eine Schieflage ist das Auftreten einiger Spitzenbanker, die in Wien ihr Gipfeltreffen abhielten. Einzelne Vertreter, allen voran Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann, lehnten brüsk eine Bankenabgabe oder Finanztransaktionssteuer ab und drohten unverholen, andernfalls seien Arbeitsplätze und Kreditvergaben gefährdet. Das erinnerte eher an Erpressung denn an die Einsicht, dass Banken zu den Hauptverursachern der Finanzkrise gehören.

Einige Tage davor hatte die Koalition aus CDU/CSU und FDP in Deutschland ihr Sparpaket präsentiert. Nicht nur das massive Ausmaß - 80 Milliarden in vier Jahren - erstaunte, sondern vor allem wie gespart werden soll: Dass der Sozialbereich, der mit Abstand größte Budgetposten, betroffen ist, ist nachvollziehbar. Aber dass Spitzenverdiener und Erben keinen Beitrag zur Sanierung leisten müssen, zeigt eine Asymmetrie, die zu überraschenden Entwicklungen in Deutschland geführt hat: So haben Millionäre eine Unterschriftenaktion gestartet, mit der sie ihre Forderung nach einer höheren Besteuerung großer Vermögen Nachdruck verleihen wollen.

Und in die Reihen der erwartbaren Kritiker des Sparpakets wie Gewerkschaften, SPD und Linke hat sich überraschenderweise der CDU-Wirtschaftsrat gestellt, dessen Vorsitzender Kurt-Joachim Lauk eine Anhebung des Spitzensteuersatzes (der in Deutschland derzeit deutlich unter österreichischem Niveau ist) fordert. Seine Begründung, es müsse eine "soziale Ausgewogenheit" geben.

Es ist so: Sparpakete werden nur akzeptiert, wenn die Menschen das Gefühl haben, es geht einigermaßen gerecht zu. Deshalb müssen zur notwendigen Budgetkonsolidierung auch die Vermögenden etwas beitragen. Wenn aber die SPÖ auf ihrem Parteitag beschließt, sie werde "an praktikablen Modellen einer Vermögenssteuer arbeiten" , dann wirft das mehr Fragen auf: Ab wann ist man nach Ansicht der SPÖ vermögend? Ist eine Vermögenssteuer oder eine Vermögenszuwachssteuer gemeint? Gilt das auch für Erbschaften?

Die Steuer darauf wurde von der Gusenbauer-Regierung abgeschafft. "Reichen-Bashing" auf dem Parteitag mag zwar die eigene Klientel zufriedenstellen, ist aber noch keine praktische Politik.

Wenn in Österreich eine Bankenabgabe kommt, wie auch von Finanzminister Josef Pröll am Freitag versprochen, dann tragen zumindest die zentralen Verursacher zur Sanierung etwas bei. Aber das sagt noch nichts darüber aus, ob das Sparpaket, das im Herbst nach den Landtagswahlen in der Steiermark und Wien auf uns zukommt, auch sozial ausgewogen ist. Die Bevölkerung wird nur Verständnis für Belastungen haben, wenn sie fair und gerecht verteilt sind. Sonst wird Sparen als Schröpfen empfunden. (Alexandra Föderl-Schmid, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 12./13.6.2010)