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Zeitarbeiter dürfen nicht Arbeitnehmer zweiter Klasse sein

Foto: APA/Oliver Berg

In einem Punkt zumindest sind sich Arbeiterkammer, die Gewerkschaft Pro-GE und der allgemeine Fachverband des Gewerbes der Wirtschaftskammer einig: Zeitarbeiter dürfen nicht Arbeitnehmer zweiter Klasse sein. Ob das für den Ist-Zustand jener Arbeitskräfte, die bei Zeitarbeitsfirmen beschäftigt, dann aber bei anderen Unternehmen tätig sind, überhaupt gilt, wird jedoch unterschiedlich beantwortet - und zwar auf Basis zweier Studien.

Sie kommen zur richtigen Zeit: Da die Konjunktur wieder anzieht, der wirtschaftliche Gesamtzustand jedoch ungewiss ist, gewinnt die flexibel einsetzbare Zeitarbeit an Attraktivität. Die Arbeitnehmervertretungen gehen davon aus, dass diese Beschäftigungsform in der Aufschwungphase den höchsten Zuwachs aller Wirtschaftsklassen aufweisen wird und deshalb besonderen Schutz benötigt.

"Aber Prognosen von einem Arbeitsmarktanteil von fünf Prozent sind fern der Realität. Der absolute Höchststand lag bei 2,1 Prozent im Jahr 2008. Mittelfristig rechnen wir mit einem Anteil von drei Prozent" , sagt Gerhard Flenreiss, Bundesvorsitzender für Personaldienstleistung in der Wirtschaftskammer.

Einige Differenzen

Die Zukunftsprognose ist nur einer von mehreren Punkten, in denen die Studienzahlen und in weiterer Folge die neue Forderungen voneinander abweichen.

Zum Thema Beschäftigungsdauer ergab die von der Arbeiterkammer und der Gewerkschaft bei L&R Sozialforschung in Auftrag gegebene Studie "Die Leiharbeit in der Krise?" zum Beispiel, dass rund 30 Prozent der Zeitarbeiter nicht länger als einen Monat und rund 55 Prozent nicht länger als drei Monate durchgängig beschäftigt sind.

Laut der von der KMU Forschung Austria für die Wirtschaftskammer durchgeführten Studie "Karriereverlauf von Zeitarbeitern" waren 44,3 Prozent der Zeitarbeiter länger als sechs Monate in einem Versicherungsverhältnis. Ähnlich unterschiedlich fallen die Aussagen zur Schlechterstellung bei der Bezahlung aus.

Die Wirtschaftskammer verweist auf faire Regeln auf Basis der Kollektivverträge, die Arbeitnehmervertreter-Studie ortet aufgrund von Befragungen jedoch eine Ungleichbehandlung.

Die Gewerkschaft fordert deshalb Ausweitungen der Informationspflichten an Betriebsräte, eine Beschränkung des Beschäftigtenanteils von Leiharbeitern und weniger Missbrauch bei einvernehmlichen Lösungen. Vonseiten der Wirtschaftskammer heißt es zu den von den Arbeitnehmern präsentierten Zahlen, man mache hier Panik und manifestiere veraltete Klischees der Zeitarbeit.

Erklärung der Ergebnisse

Wie sind aber die unterschiedlichen Ergebnisse zu erklären? "Zum einen in der Herangehensweise. Wir haben nicht beim Unternehmen, sondern bei den Arbeitnehmern und Betriebsräten angesetzt" , sagt Thomas Grammelhofer, Branchensekretär für Arbeitskräfteüberlassung in der Gewerkschaft Pro-Ge.

Zum anderen liege es aber an der Handhabung der Zahlen des Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger, die über die Dauer von Arbeitseinsätzen zum Beispiel keine genauen Aussagen machen könne, sagt Grammelhofer. "Sehr wohl aber über die Versicherungszeit" , kontert Flenreiss von der Wirtschaftskammer.

Offiziell sind die Studien den jeweiligen Sozialpartnern noch nicht zugekommen. "Die Gespräche zum Thema Weiterbildung für Zeitarbeiter und alles andere im Rahmen der Sozialpartnerschaft laufen jedoch weiter" , sagt Grammelhofer. Betroffene Zeitarbeiter und Zeitarbeitunternehmen können sich in der Zwischenzeit online auf www.leiharbeiter.at (von der Gewerkschaft) und www.diepersonaldienstleister.at (WKO) über ihre Rechte und Pflichten informieren. (Martina Bachler, DER STANDARD, Printausgabe, 12./13.6.2010)